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27. Juli 2016

Informations- und Medienkompetenz: eine Schlüsselqualifikation - auch und besonders für Nationalräte

Informationskompetenz und Medienkompetenz sind zwei zentrale Kompetenzen der Informationsgesellschaft, eine Schlüsselqualifikation.

Die Informationskompetenz beschreibt die Fähigkeit "mit beliebigen Informationen selbstbestimmt, souverän, verantwortlich und zielgerichtet umzugehen". Für den Nutzer "gelten daher als grundlegende Prinzipien der ethische und verantwortungsbewusste sowie der ökonomische, effiziente und effektive Umgang mit Information(en)".

Ein Aspekt ist die Bewertung von Informationen bzw. Informationsquellen. Auch unsere Studierenden lernen im Rahmen des wissenschaftlichen Arbeitens u.a. wie sie die Qualität der diversen Quellen für ihre Arbeit bewerten können. Jeder, der Informationen nutzt, sollte, bevor er sie weiterverbreitet oder weiterverarbeitet, sich über die Qualität der Informationen und notabene der Quelle bewusst sein. Vor allem erwarte ich das von Personen, die qua Profession mit Informationen arbeiten und Menschen beeeinflussen {wollen|können|sollen}, also z.B. Journalisten, Finanzdienstleister, Wissenschaftler und natürlich Politiker. Sicher, auch Politiker sind keine Übermenschen, aber an sie habe ich besonders hohe Erwartungen bezüglich des Umgangs mit Informationen. Wie ein gewählter Volksvertreter diese Grundsätze beachtet hat, oder auch nicht, hat sich gestern Abend auf Twitter gezeigt.

Ein Vieltwitterer postet folgenden Tweet:

Screenshot 27.7.2016, 20:00
(Originalquelle)
Immerhin 32 Retweets. Und zwei spontane Reaktionen, von @MarcelBaur und mir.

Die hier verbreitete Nachricht stammt aus einer Quelle, die nach kurzem Hinsehen mehr als zweifelhaft ist. Ein bekanntes Publikationsorgan scheint die Website nicht zu sein, jedenfalls nicht für mich. Von der Impressumspflicht haben die Betreiber der Website noch nicht gehört, nirgends ein namentlich Verantwortlicher oder eine Adresse. Die Redaktion sitzt nach eigenen Angaben in "Kolotschau/Kalocsa, Ungarn", das liegt etwa 100km südlich von Budapest.

Die Whois-Abfrage ergibt, dass die Domain in Russland registriert ist, als Kontakt lediglich eine Postfachadresse, kein Name.

Der Beitrag selbst, der hier verbreitet wurde, wurde (angeblich) auf der Website von Nouvelles de France zuerst publiziert, in französisch. Auch hier habe ich kein Impressum o.ä, entdeckt. Im Whois-Eintrag findet man als Kontakt den Namen Ano Nymous.

Egal wie perfekt die Nachricht auf solch einer Website in mein Weltbild passt, ich würde sie nicht weiterverbreiten, zu gross wären die Zweifel an der Seriosität der Quelle.

Nachdem also der Vieltwitterer offenbar selbst gemerkt hat, dass das vielleicht nicht die seriöseste Quelle war, legt er nach, addressiert an Marcel und mich:

Screenshot 27.7.2016, 20:00
(Originalquelle)
Meine Reaktion blieb nicht aus: Das Berlin Journal ist ebenfalls nicht über alle Zweifel erhaben, um es mal vorsichtig zu formulieren.

Das Medium hat seinen Sitz in den USA, genauer gesagt in Lewes, Delaware. Auf Google Street View kann man sich den schmucken Firmensitz auch ansehen. Die angegebene Adresse ist der Sitz der Firma Harvard Business Services, Inc. mit der vielsagenden Webadresse delawareinc.com. Also eine typische Briefkastenfirma, vermute ich. In den Panama Papieren erscheint diese Adresse ebenfalls.

Im Whois-Eintrag der Domain ist als Kontakt ein Durty Harry angegeben.

Chefredaktuer ist ein Bodo Hering. Sucht man nach dem Chefredakteur im Web, findet man im Prinzip nichts, ausser einer Website mit einer Geschichte, die man leicht als Verschwöhrungstheorie einordnen könnte und der ich nicht über den Weg traue: Angeblich ist der Name des Chefredakteurs einer von mindestens zwei Fantasienamen eines ehemaligen Redakteurs der B.Z., der in Oranienburg leben soll und gegen den wegen Betrugs ermittelt wird/ wurde, und der Beziehungen haben soll zu einer zwielichtigen Gestalt aus Berlin, die Firmen um ihr Geld bringt in nicht ganz legaler Weise. Und: Angeblich beobachtet der deutsche Verfassungsschutz das Berlin Journal (oder hat beobachtet).
Von einem Journalisten, der sich als Chefredakteur einer Onlinepublikation ausgibt, sollten doch eigentlich ein paar mehr Informationen im Netz zu finden sein - allein dass das nicht so ist, würde mich schon stutzig machen.

Alles das kann man innerhalbt weniger Minuten über eine Quelle herausfinden, sollte man Zweifel an ihrer Seriosität haben - das Aufschreiben hat ein Vielfachen an Zeit gekostet (aber die war es mir wert).

Jeder urteile selbst, ob er solche Quellen weiterverbreiten würde.

Von einem Nationalrat erwarte ich, dass er seine Quellen seriös anschaut und nicht weiterverbreitet, nur weil sie gerade schön ins eigene Weltbild passen.


PS. Ich habe bewusst auf Links verzichtet, da ich diesen windigen Websites eigentlich keine weiteren Traffic bescheren möchte.

Bildquelle: flickr.com/mellyjean (CC Lizenz) 

25. Juli 2016

Die Ambivalenz von Social Media - nicht nur bei den Mächtigen

Facebook Safety Check während
des Amoklaufs in München am
22. Juli 2016
Social Media gehören inzwischen zu unserem täglichen Leben wie vieles andere auch; und wie vieles andere auch kann man mit Social Media Gutes und Sinnvolles oder weniger Gutes und weniger Sinnvolles anstellen. Was gut oder weniger gut ist, liegt letzendlich im Auge des Betrachters. Zentral ist, dass freie Medien und notabene auch freie soziale Medien zu einer offenen  und pluralistischen Gesellschaft gehören.

Vor allem die Mächtigen in Ländern mit weniger offenen Gesellschaften und weniger demokratischen Strukturen haben ihre Mühe mit Social Media, wie etwa China oder immer wieder die Türkei, wo Social Media Plattformen nach Belieben blockiert werden, wie zuletzt beim Putschversuch am 15. Juli 2016.

Social Media spielen als moderne Kommunikationsmittel eine wichtige Rolle für die Menschen: Im Rahmen des sog. arabischen Frühlings wurde dies vielfach diskutiert, in China dienen Social Media den Menschen aktuell als Informationsquelle und Protestmedium im Rahmen der aktuellen Überflutungen und konterkarieren die (Des-) Informationspolitik des Staates.

Aber die Mächtigen machen sich Social Media auch selbst zunutze. Nicht nur dass sie ihre Bevölkerung Online überwachen und bespitzeln; sie nutzen Social Media Kanäle auch aktiv. So hat der türkische Präsident im Rahmen des Putschversuchs bereits kurz nach dem Aufstand des Militärs Social Media genutzt, um sich an die Bevölkerung zu wenden - nachdem nur wenige Stunden zuvor Social Media Plattformen blockiert wurden. Der gleiche Präsident, der noch 2013 als Regierungschef Social Media als die grösste Bedrohung für die Gesellschaft ansah.
Fachleute sind der Meinung, dass der Putschversuch auch daran gescheitert ist, dass die Putschisten offenbar die Wirkung von Social Media unterschätzt haben und sowohl die Regierenden als auch die Bevölkerung sich entsprechend artikulieren und organisieren konnten:
"But the putschists failed to sufficiently update the standard coup playbook to take into account the realities of social media and mobile technology."
Auch der Amoklauf in München  vom 22. Juli 2016 hat die Bedeutung von Social Media, aber auch deren Ambivalenz, deutlich gemacht.

Einerseits waren Social Media eine wichtige Informationsquelle für die Bevölkerung, die z.B. auch von der Polizei intensiv genutzt wurde. Facebook aktivierte seinen Saftey Check, mit Hilfe dessen man den Verbleib von Freunden und Bekannten während einer Krisensituation feststellen kann. Und ebenfalls waren Social Media zentral bei der Unterstützung von in München Gestrandeten durch die Bevölkerung.

Gleichzeitig wurden aber auch ungesicherte und falsche Informationen via Social Media verbreitet. Nicht zuletzt gezielte Falschmeldungen sowie gefälschte Fotos mit ihrer emotionalen Kraft haben bei der Bevölkerung Ängste ausgelöst und Polizeikräfte unnötig gebunden. Allerdings kann z.B. die Polizei über die gleichen Mechanismen Falschmeldungen auch wieder aus der Welt schaffen.

Aus Sicht der Nutzer steht man hier vor der Herausforderung, die relevanten und korrekten Inhalte aus dem Rauschen der Timeline herauszufiltern, und das nicht nur in Krisensituationen. Dies setzt entsprechende Medienkompetenz und Informationskompetenz der Nutzer und einen verantwortungsvollen Umgang mit Social Media voraus.

Zentrale Grundvoraussetzung ist aber, dass Medien incl. Social Media frei, offen und nicht zensiert sind. Im Rahmen der Aktivitäten zur Massenüberwachung auch in demokratischen Ländern ist dieser Grundsatz aber leider in Gefahr.

(aktualisiert 25.7.2016, 15:00, 26.7.2016 08:00)




9. Juli 2016

Reiseerlebnisse mit der Deutschen Bahn - die 1001.

Eigentlich sollte es eine ganz entspannte Reise zurück von Leipzig nach St. Gallen werden. Der Plan: Mit der S-Bahn von Leipzig HB zum Flughafen, ab 09:23, an 09:37.
Es gab weder Schnee, noch Regen, noch Sturm, noch war es besonders heiss, aber die S-Bahn hatte bereits bei Abfahrt 5 Minuten Verspätung. Ok, alles im grünen Bereich, dachte ich, nur mit Handgepäck reisend, Boarding 10:20, Abflug 10:45. Also mindestens 40 Minuten von (geplanter) Ankunft der S-Bahn bis Beginn des Boardings.

Dann, nach wenigen Minuten Fahrt, bleibt die S-Bahn auf offener Strecke stehen. Eine Durchsage gab es nach längerem Warten, angeblich sei eine Signalanlage defekt. Derweil fahren rechts und links andere Züge vorbei. Auch die 2. Durchsage liess verlauten, dass eine Signalstörung vorliege. Dann die dritte Durchsage: Weichenstörung. Inzwischen waren mehr als eine halbe Stunde vergangen. Langsam wurde ich nervös. Dann die Mitteilung: Der Zug fährt ein Stück zurück, um dann auf ein neues Gleis zu wechseln. 

Mit schlussendlich 63 Minuten kam die S-Bahn am Flughafen an. 

Ich spurtete zum Schalter der Lufthansa, es war ca. 10:45, eine Mitarbeiterin rief sofort am Gate an, aber das Boarding war bereits abgeschlossen, “doors closed”. Mein Ticket ist nicht umbuchbar. Shit. 

Dann zum Schalter der Deutschen Bahn: Man können da nichts machen ausser mir die Verspätung zu bescheinigen - darin hat man ja Routine - und mir ein Formular mitzugeben, um meine entstandenen Mehrkosten erstatten zu lassen. 

Mit dieser Information machte ich mich auf die Suche nach einer Flugverbindung: Leipzig - Zürich via München, Abflug 12:45, Ankunft Zürich 16:15 - anstatt 12:00 wie geplant. Und zusätzliche ca. 350 CHF - mein Originalticket hatte ca. 200 CHF gekostet. Ich gehe ganz einfach einmal davon aus, dass die Deutsche Bahn mit das Ticket erstattet! Den verlorenen Nachmittag zuhause kann ich eh abschreiben.

Meinem Ärger und Unmut habe ich über Twitter Luft gemacht, aber seitens der Deutschen Bahn bisher keine Äusserung zum Fall. Man ist wohl im Wochenende

Update 11.7.2016
Drüben bei Twitter gab's bis heute keinerlei Reaktion auf meine diversen Tweets seitens der Bahn. Auf der Facebookseite von Deutsche Bahn Personenverkehr gab's neben einer halbherzigen Entschuldigung vor allem Belehrungen!

Screenshot 10.7.2016

Dass es auch anders geht, zeigt die Swiss.

Update 1.8.2016:
Mir wurde angekreidet, ich hätte zu wenig Puffer bei der Anreise zum Flughafen in Leipzig eingebaut. Nun, die Fluggesellschaft Swiss sagt für den (wesentlich grösseren) Flughafen Zürich, dass die Ankuft eine Stunde vor Abflug ausreichend sei. Mein Reiseplan für Leipzig sah mehr Zeit vor!

Update 19.8.2016:
Heute kam mit der Post ein Brief der Bahn (Absendedatum 17.8.). Ich vermutete eine - negative - Antwort auf meine Anfrage auf Entschädigung vom 12.7.2016. Weit gefehlt!

Auszug aus dem Brief der DB, erhalten am 19.8.2016

"Gern kümmern wir uns so schnell wie möglich ..." - na toll, nach fünf Wochen!

Und sie verlangen tatsächlich das Original und eine Kopie der Fahrkarte!?

Aber kein einziges Wort zum konkreten Anliegen an sich! Auf die Erstattung der mir zustehenden Entschädigung von 25% des Fahrkartenpreises verzichte ich gerne (es wären übrigens € 1.10).

Und via Twitter kommt auch noch gleich eine entsprechende Belehrung hinterher:

(Screenshot 19.8.2016, 13:50 (Quelle))



PS. Im übrigen bin ich überzeugter Bahnfahrer, besitze aktuell das GA der SBB, besass lange Zeit die Bahncard 50 und war Vielfahrer (bahn.bonus comfort-Status) der Deutschen Bahn.