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30. September 2020

Wie traditionelle Detailhändler in St. Gallen dem Strukturwandel begegnen

Momentaufnahme April 2017:
Leerstände in der stagller Innenstadt
Das sogenannte 'Lädelisterben' in St. Gallen und anderswo gibt seit langem zu reden. Nach und nach schliessen alteingessessene Einzelhändler, geben auf. 

Zuletzt hat in St. Gallen das Spielwarengeschäft Zollibolli für sehr emotionale Reaktionen gesorgt, nachdem angekündigt wurde, das Ladenlokal in der stagller Fussgängerzone auf Ende September zu schliessen. Die Geschichte dieses Spielwarengeschäfts geht bis ins Jahr 1856 zurück und gehört heute zur Amsler Spielwaren AG. 

Für die einen sind die vermeintlich fehlenden Parkplätze am Lädelisterben schuld, für die anderen das Internet und die Amazons dieser Welt, und Corona sowieso, kaum jemand sieht das Verhalten von uns Konsumenten als Auslöser von Schliessungen im Einzelhandel. 

Ich kenne die stgaller Innenstadt seit nun fast 30 Jahren. In dieser Zeit hat sich viel verändert, gerade in den vergangenen Jahren, die Leerstände sind nicht zu übersehen. Einige der wenigen Konstanten ist, bzw. war, das Ladenlokal von Zollibolli, an Veränderungen kann ich persönlich mich hier jedenfalls nicht erinnern. 

Für die Nostalkiger mag das positiv sein, aus nüchterner, betriebswirtschaftlicher Sicht muss man ehrlich gesagt den Kopfschütteln. Warum? Das Stammgeschäft ist faktisch unverändert seit ich es kenne, seit nun bald 30 Jahren. In wenigen Minuten Gehdistanz entfernt wurde 2017 im Einkaufszentrum Neumarkt eine weitere Filiale eröffnet, dazu ein Jahr später die Filiale in der Shopping Arena am Rand der Stadt. Kaufen die Stgaller so viel mehr Spielwaren, so dass sich drei Standorte rentieren? Und dies auch in Abetracht der zahlreichen Onlineangebote? Ja, einen Onlineshop hat Zollibolli seit 2014 auch - man möge sich selbst einen Eindruck verschaffen. 

Auch im Buchhandel spürt man mehr als deutlich das veränderte Kaufverhalten. So hat die ebenfalls traditionsreiche stgaller Buchhandlung Rösslitor, die inzwischen zu Orell Füssli gehört, in den vergangenen Jahren mehrmals den Standort innerhalb der Innenstadt gewechselt und dabei die Verkaufsfläche stetig verkleinert. Vor dem letzten Umzug 2018 wurde in der Filiale am Bärenplatz ein Cafe eröffnet und zeitweise ein Teil der Verkaufsfläche an ein Mobilfunkanbieter vermietet. Die Filiale gleich neben der HSG auf dem Rosenberg ist schon lange geschlossen. Als Teil von Orell Füssli verfügt das Rösslitor auch über einen zeitgemässen Onlineshop. Darüber hinaus finden heute auch zahlreiche Veranstaltungen im Ladenlokal statt, die ein potentielles Kaufpublikum ansprechen, ganz im Sinn von 'der Laden als Bühne'. 

Neben Spielwaren und Büchern haben es auch Papeterie- und Büroartikel in einer zunehmend digitalen Welt schwer. Dass man Strukturwandel und die Digitalisierung auch anders und vor allem proaktiv meistern kann, zeigt die Papeterie Zum Schiff in St. Gallen. Darüber wurde kürzlich im Tagblatt berichtet. Auch das Schiff hat eine lange Tradition, die bis 1845 zurückgeht. Das Geschäft ist heute noch am Ort wo es in den letzten Jahrzehenten immer war - aber durchaus verändert! 

Schreibwaren gibt es zwar immer noch beim Schiff, aber daneben im Erdgeschoss die 2014 eröffnete Schiffschuchi, ein Bistro mit Take Away inkl. Onlineshop. 

Und auch das Onliengeschäft hat man durchaus frühzeitig erkannt: 

Der Laden selbst wurde mehrfach in den letzten Jahren neu organisiert, wie der Chronik zu entnehmen ist. 

Zollibolli, Rösslitor und Zum Schiff, drei stagller Traditionsunternehmen im Einzelhandel mit Ladenlokalen an bester Lage in der stgaller Innenstadt, die drei unterschiedliche Wege gewählt haben, durch den stattfindendenden Strukturwandel zu navigieren. 

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