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25. August 2012

Social Media Einsatz beim Wahlkampf in St. Gallen: Fehlanzeige

Kandidaten als Zaungäste von Social Media
Die Stadt St. Gallen ist in Sachen Social Media durchaus fortschrittlich und ganz vorne dabei: So ist die Stadt auf diversen Social Media Plattformen aktiv und betreibt darüber hinaus eine eigene Plattform, mysg.ch. Erst kürzlich wurde das Projekt St.Galler Wireless gestartet, und auch eine Smartphone-App für Realtime-Daten für den öV in St.Gallen und Umgebung gibt es seit einigen Tagen. Ganz zu schweigen von der App der Stadt für iPhone und iPad. Und auch die Politik zeigt sich offen für Neues: Aus dem Stadtparlament wird live getwittert.

Da lag es irgendwie nahe anzunehmen, dass auch im Rahmen des Wahlkampfes zu den Erneuerungswahlen des Stadtparlamentes und des Stadtrats 2012 am 23.9.2012 Social Media eine Rolle spielen würden; dies auch insbesondere deswegen, weil für die fünf Plätze im stgaller Stadtrat neun Kandidaten kandidieren, davon sechs neue. Aber die Annahme, dass Social Media im Wahlkampf im Jahre 2012 intensiv genutzt werden, war wohl naiv: Social Media werden in stgaller Wahlkampf im Spätsommer 2012 nur marginal eingesetzt.
Zu den neuen Kandidaten schreibt das Tagblatt, dass sie zu wenig bekannt seien – das sollte doch erst recht eine Motivation sein, die Medien der Zeit aktiv zu nutzen. Schlagzeilen macht aber der Social Media – Wahlkampf höchstens mit Berichten wie ‚Die CVP und der Cyber War‘.

Von den neun Kandidaten sind drei bereits bisher im Amt, darunter der Stadtpräsident Scheitlin. Schauen wir uns ihre Online- und Social Media Aktivitäten einmal genauer an. Zunächst die Stadträte, die wieder antreten:

Thomas Scheitlin, der wieder für das Amt des Stadtpräsidenten antritt, hat eine eigene Homepage sowei ein privates Facebook Profil, das er aber nicht für den Wahlkampf nutzt. Als Autor auf dem Stadtratblog war der Stadtpräsident zuletzt vor über einem Jahr aktiv.

Auch Stadtrat Fredy Brunner tritt wieder an: Er verfügt über eine (statische) Homepage, das war’s dann. Auch der letzte Eintrag auf dem Stadtratblog ist lange her: Juni 2011.

Das gleiche Bild bei Nino Cozzio: Klassische Homepage, und wenige Aktivitäten auf dem Stadtratblog (letzer Eintrag Okt. 2011).

Und diese sechs Kandidaten bewerben sich um einen Sitz im Stadtrat:

Patrizia Adam-Allenspach, bereits im Stadtparlament tätig, verfügt über ein persönliches Facebook Profil, dies nutzt sie aber nicht für den Wahlkampf. Die Suche nach einer eigenen Homepage erweist sich als schwierig, ein Wähler hätte wohl längst aufgegeben. Im Netz findet man als erstes eine Seite ihrer Partei, der CVP, mit ihrem Konterfei, aber ohne weitere Informationen, die für den Wähler von Interessen sein könnten. Dann stösst man nach einigem Suchaufwand auf die gemeinsame Seite mit dem Parteikollegen Cozzio. Auch hier sind die Informationen eher knapp. Auch auf der Seite der Stadtpartei gibt’s dann noch ein paar Zeilen Information. Die im Tagblatt vom 22.8. abgebildete Seite konnte ich leider nicht finden. Ein Wähler wohl hätte schon längst aufgeben.

Bei der Onlinesuche nach der Kandidatin kam als zweiter Treffer der Link zur Seite für die Kantonsratswahlen vom März 2012, eher irritierend.

Gemeinsame Seiten scheinen im Trend zu sein, denn auch die SP hat eine Gemeinschaftsseite für ihre beiden Kandidaten für den Stadtrat, von denen Ruedi Blumer der eine ist. Auf der Homepage gibt es immerhin die Möglichkeit, die Seite via Social Media zu teilen. Und gemeinsam sind sie auch auf einer Facebookseite präsent, mit aktuell 59 Likers und zwei Einträgen innerhalb der letzten Woche. Die Homepage verweist auf die Facebookseite, und umgekehrt.

Markus Buschor ist ein Politneuling – und vielleicht deswegen stärker in Social Media vertreten: Da ist zum einen die Homepage mit der Adresse buschor.sg. Sie enthält immerhin eine aktuelle Agenda sowie ein gepflegtes Tagebuch. Direkt verlinkt sind die Facebookseite des Kandidaten Buschor mit sechs Likern und vier Einträgen aus der letzten Woche sowei das Twitter Account @markusbuschor mit bisher fünf Followern und 11 Tweets.

Christian Hostettler war bereits im Stadtparlament und will jetzt für eine neue Partei Stadtrat werden. Auch er verfügt über eine persönliche Facebookseite, die aber nicht für den Wahlkampf benutzt wird und keine öffentlichen Einträge aufweist. Eher peinlich ist die persönliche Homepage des Kandidaten, die noch Wahlwerbung für die Wahl im Jahr 2004 macht, notabene für seine damalige Partei, die SVP – immerhin wurde Hostettler 2006 aus der SVP Fraktion ausgeschlossen (Quelle). Mit der Fusszeile „2012 Atlantis Web“ wird Aktualität suggeriert, potentielle Wähler sind wohl eher verwirrt.

hostettlerchristian.ch (Stand 24.8.2012)
Auf der bereits erwähnten gemeinsamen Homepage der SP Kandidaten ist auch Sylvia Huber präsent, ebenso auf der Facebookseite. Auch ihre persönliche Facebookseite nutzt Huber für Wahlkampfzwecke. Dazu betreibt sie auch eine eigene Homepage mit Hinweis auf ihre persönliche Facebookseite.

Markus Straub betreibt eine eigene Homepage. Die persönliche Facebookseite nutzt er nicht (öffentlich) für den Wahlkampf.

Das Fazit dieser kleinen Analyse ist durchaus ernüchternd:
  • Von neun Kandidaten sind immerhin acht mit einer Homepage Online vertreten. 
  • Die Homepages sind im Wesentlichen statisch und enthalten kaum aktuelle, den Wahlkampf betreffende, Mitteilungen. Ausnahme ist hier Markus Buschor. 
  • Auf keiner der Homepages findet sich eine Möglichkeit einen Kommentar zu hinterlassen; ein Feedback ist nur via eMail bzw. Gästebuch möglich. 
  • Drei Kandidaten nutzen eine Facebookseite für den Wahlkampf. 
  • Vier Kandidaten verfügen zwar über eine persönliches Facebookprofil, nutzen dieses aber nicht für ihren Wahlkampf – zumindest nicht mit öffentlich sichtbaren Einträgen. Hier scheint Facebook als rein private Plattform genutzt zu werden, was auch die sichtbaren Einträge zeigen. Da diese Profile über mehrere Hundert Freunde verfügen, ist zumindest Facebook als Plattform nicht gänzlich unbekannt. 
  • Twitter wird lediglich von einem Kandidaten genutzt, allerdings äusserst sparsam. 
  • (Persönliche) Blogs werden nicht genutzt.
  • Interaktivität und Dialogbereitschaft, der Austausch mit potentiellen Wählern, ist ganz offensichtlich nicht vorgesehen. 
  • Aktivitäten der Kandidaten auf weiteren Social Media Plattformen wie z.B. Flickr, Youtube oder Slideshare konnten nicht identifiziert werden. 
  • Der Altersdurchschnitt der Kandidaten für den Stadtrat liegt bei 56 Jahren, kein Kandidat ist jünger als 50 - vielleicht ein Grund für die sehr zurückhaltende Verwendung von Social Media Instrumenten. 
Die Zusammenstellung der Social Media Aktivitäten der Kandidaten beruht auf einer Suche via Google nach entsprechenden Aktivitäten sowie Verlinkungen auf Seiten, z.B. der Parteien, sofern überhaupt vorhanden. 
Für ergänzende Hinweise bin ich jederzeit dankbar.

Ergänzung 26.8.2012:
Ein Interview mit mir im im Regionaljournal Ostschweiz auf DRS1 vom 26.8.2012: Kommunale Wahlen: Wenig Politik im Netz

Ergänzung 29.8.2012:
Gemäss der aktuellen Übersicht bei smartvote.ch haben mit Stand heute sechs der neun Kandidaten ein entsprechendes smartspider-Profil.

Liste mit allen Kandidaten mit Twitter-Account (... soweit bekannt und ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
(Besten Dank an Marcel Bauer für seine Zusammenstellung)

Ergänzung 8.9.2012:
Der Kandidat Christian Hostettler hat seit dieser Woche eine überarbeitete Website; allerdings besteht diese aus genau einer Seite, der Hompage mit Bild, ansonsten ist ein CV als pdf-Datei angehängt. Politische Positionen sucht man bisher vergebens. 

Bildquelle: flickr.com/sympra (CC Lizenz)

5 Kommentare:

hdzimmermann hat gesagt…

Auch der Offline Wahlkampf verläuft eher flau, heute in der stagller Fussgängerzone: http://www.flickr.com/photos/hdz/7857729580/, http://www.flickr.com/photos/hdz/7857729240/

Angelo Zehr hat gesagt…

Herzlichen Dank für diese Zusammenstellung. Ernüchterung pur.

hdzimmermann hat gesagt…

Ein interessanter Beitrag zum Thema Social Media und Auswirkungen auf Wahlen: "
Man kann Wahlen nicht durch das Internet gewinnen, aber man kann sie durch das Internet verlieren " (
http://politik-digital.de/veraenderungen-der-politischen-kommunikation-teil-ii/ )

Etienne Ruedin hat gesagt…

Nachdem ich einer mir weiter nicht bekannten Seite disqus.com den Zugriff gewährt hatte und auf deren Empfehlung, da es heute etwas länger daure, sie noch einmal geladen hatte, erschienen – oh Wunder! – die Kommentare und die Kommentarfunktion.



Zum Thema: Ganz so verwunderlich ist die «Fehlanzeige» für mich nicht. Wahlkampf mit
virtuellen Werkzeugen: Blogs, Gezwitscher, Internetseiten, e-Mail, etc.
ist einerseits eine neue Sache und Politik war in der Schweiz
konkordanzbedingt schon immer eher träge.



Andererseits stellt sich die Frage, ob die Politiker die genannten Werkzeuge auch bedienen können und die Zielgruppe diese auch nutzt. Ich vermute: Viele Stammwähler nutzen solche nicht, während deren Nutzer an den Themen der Politiker und der Politik wenig interessiert sind.



Etwas ausführlicher fällt meine Antwort auf dem Infwiss-Blog aus, da ich zuerst davon ausging, dass hier gar keine (ausgeblendete) Kommenatrfunktion vorhanden ist. http://infwiss.blogspot.ch/2012/09/wahlkampf-im-internet-ist-ein-steiniger.html Dort stelle ich auch eine politische Seite zur Diskussion, die ich betreue, weshalb mein eigenes Urteil darüber wenig objektiv ist.

Etienne Ruedin hat gesagt…

Zur Smartvoteergänzung noch eine Ergänzung: Im Prinzip ist Smartvote für politisch wenig engagierte Leute eine gute Sache. Nur: Ein Kandidat muss nicht nur ein Profil bei Smartevote anlegen, sondern auch noch bei Vimentis und, und, und überall sind die Fragen leicht anders. Darauf haben sich dann einige Journalisten spezialisiert, die Profile auf Widersprüche abzuklopfen und den Kanidadten dann um die Ohren zu hauen.

In jugendlichem Übermut landete ich vor Jahren auf der Nationalratsliste einer Jungpartei. Nachdem ich Smartvote und Vimentis übers 28 kps-Modem gefüttert und rund 20 Umfragen von ebensovielen Verbänden beantwortet hatte, wusste ich ehrlicherweise nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Manche Fragen, die mir nicht so wichtig erschienen, hätte ich bei leicht anderer Formulierung unter Umständen auch das Gegenteil geantwortet. Investigative Journalisten hätten eine helle Freude daran gehabt… Und haben sie auch bei anderen, wenn ich daran denke, was mir eine gute Bekannte aus dem Nationalrat so ab und zu berichtet.