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17. Februar 2011

Plagiate - weder ein Kavaliersdelikt noch nur ein Problem der Wissenschaft

Etwas Gutes hat die Diskussion um den Plagiatsverdacht beim deutschen Minister zu Guttenberg schon jetzt, unabhängig vom Ausgang: Das Thema plagiieren und Plagiate ist plötzlich in der breiten Öffentlichkeit! Und das ist auch gut so! Denn es ist ein gesellschaftliches Thema! 
Auf wie vielen Websites finden sich beispielsweise Texte oder Bilder, die man irgendwo im Netz gefunden hat, ohne dass man sich um eine korrekte und faire Quellennennung bzw. Verlinkung kümmert?

Bisher haben es kaum Plagiatsfälle in die breite (Medien-) Öffentlichkeit geschafft. Und der breiten Öffentlichkeit war wohl bis vor ein paar Tagen die Begriffe Plagiat bzw. plagiieren kaum wirklich geläufig. 


In der Wirklichkeit der Hochschulen und der Wissenschaft beschäftigt uns dieses Thema schon lange wie z.B. auch die Tagung „Wissensklau, Unvermögen oder Paradigmenwechsel?“ im September 2009 in Chur gezeigt hat. (vgl. ausführliche Dokumentation in diesem Blog)

Plagiieren, also das unrechtmässige und „bewusste Aneignen fremden Geistesgutes“ - über detaillierte Definitionen lässt sich trefflich streiten - ist kein Phänomen der Wissenschaft, sondern der Gesellschaft an sich und insbesondere der Informationsgesellschaft. Die Frage, wie wir mit dem geistigen Eigentum andere umgehen und was die Begriffe des geistigen Eigentums und des Urheberrechts im Internetzeitalter überhaupt bedeuten, ist eine an anderer Stelle heiss geführte und sehr notwendige Debatte.

Die, die jetzt – völlig zu Recht! – den Fall zu Guttenberg analysieren, sollten hier aber auch selbstkritisch genug sein. War es doch die fast vollzählig versammelte Presse einschliesslich vieler sog. Qualitätserzeugnisse, die bei der Amtseinführung von zu Guttenberg vor zwei Jahren seinen Vornamen falsch und ohne Nennung von Quellen aus der Wikipedia abgeschrieben haben, vgl. z.B. bildblog.de. „In eigener Sache“ haben Medien wie Spiegel Online ihre Fehler offen eingestanden. (vgl. auch Qualitätsjournalismus - Wikipedia - Online-Medien in diesem Blog) Und auch dieser Tweet beschreibt eigentlich ein Selbst-Plagiat.

Man mag einwenden, was ist schon ein falscher Vorname im Vergleich zu einer Dissertation – aber wo soll man die Grenze ziehen zwischen erlaubten, akzeptierten Abschreiben und dem verwerflichen, dem nicht mehr erlaubten? Plagiat ist Plagiat – das ist relativ einfach, auch wenn es unterschiedliche Formen und Ausprägungen gibt: Von der nicht kenntlich gemachten wörtlichen Übernahme eines Textes über das kopieren einer Struktur oder Gliederung bis zur Aneignung fremder Ideen und dem verkaufen alter Arbeiten als neue Publikation, dem sog. Selbst-Plagiarismus. Und das betrifft beileibe nicht nur den Wissenschaftsbereich!

Der richtige und vor allem faire Umgang mit Quellen insbesondere im digitalen Zeitalter ist Teil der Medienkompetenz – und hier hapert es immer noch gewaltig. Gerade die – vermeintliche – Gratiskultur des Netzes trägt hier zu einem eher lässigen Umgang mit Arbeiten anderer bei – bei Schülern, Studierenden, Wissenschaftlern, Autoren, Journalisten, Bloggern, etc. Erst schnell gegoogelt, dann Ctrl CCtrl V – innerhalb weniger Augenblick ist heute kopiert. Und dieses Verhalten wird – sicher unbewusst – von vielen Seiten geduldet - und gar gefördert.

Dazu ein mir bekanntes, sicher subjektives und nicht repräsentatives Beispiel aus einer bayerischen Grundschule: Schüler der 4. Klasse sollen ein Poster zu einem Sachkunde-Thema zusammenstellen. Die Lehrerin verweist explizit auf das Internet, um entsprechende Bilder ausfindig zu machen. Aber es werden keinerlei Hinweise gegeben, dass die Inhalte, hier Bilder, einen Urheber haben, dass man korrekter- und fairerweise die Quelle nennt. Wie sagt der Volksmund so schön: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“.

Die Wissenschaft hat sich schon seit längerem mit dem Thema Plagiate beschäftigt und technische Mittel entwickelt, solche zu erkennen. Dazu ein konkretes Beispiel aus der eigenen Praxis als Mitherausgeber eines wissenschaftlichen Journals (Electronic Markets). 
Es ist Praxis, dass sämtliche Einreichungen durch den Verlag auf Plagiat überprüft werden. Als Ergebnis gibt es einen sog. Similarity Index. Sehr detailliert wird von dem System aufgezeigt, wo und was möglicherweise nicht korrekt ist – die Interpretation, das sorgfältige Abwiegen  und die Entscheidung ist dann aber immer noch Sache des Menschen! Ein Plagiatsvorwurf wiegt schwer, wie an der aktuellen Diskussion zu erkennen ist.

Ergebnis eines automatischen Plagaitechecks (Ausschnitt)
Guten Reviewern, die eine Einreichung begutachten, entdecken Plagiate ebenfalls regelmässig:
"First of all, the authors plagiarized another person's paper. The section "xyz" is pretty much the same as the third paragraph of section 2 in A and B (2007)'s paper. Plagiarism is a serious matter. This is the main reason for rejecting this paper." [Auszug aus einem Review für Electronic Markets] 

Ergebnis eines automatischen Plagaitechecks (Ausschnitt)


Ich selbst habe als Hochschullehrer auch immer wieder mit Plagiatsverdacht zu tun. Ein besonders krasser Fall war der einer Studentin, die mir eine Seminararbeit einreichte. Es stellte sich heraus, und zwar ohne das Bemühen technischer Hilfsmittel, dass sie die Gliederung bzw. Struktur der Arbeit aus einem Buch übernommen hatte, dazu komplette Textpassagen – ohne jeglichen Hinweis auf die Originalquelle. So etwas nenne ich dann schon dummdreist … 

Aber ich möchte nicht wissen, wie viele Plagiate ich nicht entdeckt habe … 

Wenn die aktuelle Diskussion rund um den Plagiatsvorwurf an einen Politpromi aus Deutschland zu einer breiteren Sensibilisierung und sachlichen Diskussion des Themas Plagiate führt, ist viel erreicht - unabhängig vom konkreten Ausgang des Falls.

Bildquelle: flickr.com/photoeditorvision (CC Lizenz)

1 Kommentar:

hdzimmermann hat gesagt…

Lesenswert zum Thema der Beitrag von Rainer Kuhlen auf dem netethics-Blog:
Der “Fall” Guttenberg