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25. Februar 2011

Causa Guttenberg - es gibt nur Verlierer

Zum Wochenausklang habe ich mich entschlossen - auch wenn schon vieles von so vielen gesagt wurde - meine Gedanken - eben meine two cents -  zur Causa Guttenberg, die mir durch den Kopf gehen, subjektiv und als Nicht-Jurist, aber als jemand, der seit fast 20 Jahren im internationalen Wissenschaftsbetrieb tätig ist, aufzuschreiben.

Zwei Aspekte beschäftigen mich dabei: 1. Die politische (Un-) Kultur und 2. die Rolle der Gutachter bzw. der Uni Bayreuth.

In meinem Beitrag vom 17. Feb. hatte ich die leise Hoffnung, dass nun endlich eine sachliche Diskussion in der breiten Öffentlichkeit über Themen wie den Diebstahl geistigen Eigentums und dem Urheberrecht im digitalen Zeitalter stattfindet. Weit gefehlt (... wie insgeheim befürchtet).


Stattdessen wird ein Politiker demontiert - bzw. er demontiert sich selber -, und es geht seitens der Gegner kaum mehr um die Sache. Es geht ums abschiessen und profilieren. Die politischen Lager stehen sich verbal bis an die Zähne bewaffnet gegenüber. Und das Bild, das die deutsche Politik abgibt, ist ehrlich gesagt (wieder einmal) erbärmlich. Immer wenn es um schnelles Punkten in der medialen Öffentlichkeit geht, haben sie unendlich Energie, sind sie unglaublich schnell, die deutschen Politiker. Sei es, dass drei leibhaftige Minister gegen Google Streetview und Facebook ins Feld ziehen oder jetzt der Fall Guttenberg. Selbst Ereignisse wie die im Norden Afrikas oder der Tod deutscher Soldaten in Afghanistan treten in den Hintergrund. Und hätte man sich mit gleicher Energie und gleichem Tempo um den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Hartz IV gekümmert, wären die Augenringe der Minister und Unterhändler nicht nötigt gewesen; und man hätte die Zeitvorgaben des höchsten deutschen Gerichts einhalten können.

Das, was zu Guttenberg gemacht hat, ist in der Tat scharf zu kritisieren und eine Verletzung der wissenschaftlichen Regeln. Aber steht er alleine da?

Meine Rolle als Wissenschaftler habe ich selbst in diesem Kontext immer so gesehen, die Werke von Studierenden und Autoren konstruktiv kritisch zu würdigen. Ich sehe mich in der Rolle, Studierende und Autoren zur Einhaltung der Regeln zu motivieren und Verfehlungen - mit den nötigen Konsequenzen - zu erkennen.

Im Rahmen des wissenschaftlichen Qualitätssicherungsprozesses spielen Gutachter und Reviewer eine wichtige Rolle. Wenn zwei namhafte Gutachter die vielfachen Verfehlungen in einer Dissertation nicht erkennen, dann frage ich mich schon, wie das passieren kann. Dass ein Plagiat dieses Aussmasses von Gutachtern nicht entdeckt wird, macht nachdenklich …

Ich persönlich bin der Meinung, dass auch die Gutachter damit wissenschaftliche Regeln verletzt haben, nicht nur der Autor. Oder wie es in der Stellungnahme der Uni Bayreuth zu lesen ist: „… gegen diese wissenschaftlichen Pflichten … verstossen hat“. Nach allen jetzt heraufbeschworenen Regeln hätte die Arbeit gar nicht akzeptiert werden dürfen!
Bernhard Vogel bringt es bei Spiegel Online auf den Punkt: "Es gab zwei Korrektoren der Guttenberg-Dissertation - einen Doktorvater und einen Zweitgutachter. Dass die nicht gemerkt haben, was da schief gelaufen ist, halte ich für sehr eigenartig."
Bei der Rolle des Erstgutachters (des Doktorvaters) scheint es in der Tat Klärungsbedarf zu geben, wie der provozierende Artikel von Henryk M.Broder vom 24. Feb. bei WELT Online zeigt.

Und selbst wenn das Plagiat einfach „gut gemacht“ ist und Gutachter sich haben täuschen lassen, verwundert es, dass ein Rezensent dieses Plagiat entdeckt hat.

Und die Rolle der Uni Bayreuth ist aus meiner Sicht ebenfalls zweifelhaft: In für einen Hochschulbetrieb äusserst kurzen Zeitraum war man in der Lage, sich ein - formales - Urteil zu bilden. Studierende und Doktoranden, die oft wochen- und monatelang auf Prüfungsergebnisse warten müssen, Kandidaten in Berufungsverfahren, die schnell mal Jahre in der Luft hängen, reiben sich sicher auch verwundert die Augen.
Für mich ergibt sich der Eindruck, dass man möglichst schnell entscheiden wollte, um im Zuge der aufgeregten Diskussion entsprechende Nachfragen z.B. zur Rolle der Gutachter vermeiden zu können und um nicht noch länger in der Öffentlichkeit zu stehen. Augen zu und durch. Der Sündenbock ist ja längst ausgemacht. Auch dieses Verhalten ist kein Beitrag zur Glaubwürdigkeit der Qualitätssicherung im wissenschaftlichen Betrieb.

Zu Recht befürchtet der Wissenschaftsrat in einer Stellungnahme vom 25. Feb. einen drohenden Schaden des gesellschaftliches Ansehens der Wissenschaft. Und auch der Deutsche Hochschulverband beklagt am 25. Feb. bei FAZ.NET: "Es ist unerträglich, wie die Bedeutung der Wissenschaft und ihrer ehernen Gesetze politisch kleingeredet wird."

Aufklärung tut Not - aber in der kompletten Breite! Und sachlich!


Bildquelle: flickr.com/Will Lion (CC Lizenz)