Im folgenden einige subjektive Eindrücke.
In der Eröffnungssession werden die OA Perspektiven aus den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz vorgestellt. Den Beitrag aus Deutschland habe ich leider verpasst.
Bruno Bauer (Folien) erläutert die österreichische Perspektive. Als 'Vorspann' - wie er es nennt - zeigt er (einmal mehr) Zahlen zur Zeitschriftenkrise die ja massgeblich die OA Initiativen motiviert. Sensibilisiert durch die z.T. sehr polarisierenden Diskussionen der letzten Wochen und Monate hinterlässt dieser Vorspann, der mehr oder weniger deutlich einen 'Schuldigen' ausmacht, einen faden Beigeschmack, zumindest bei mir.
Bauer zeigt u.a. auf, wie die österreichischen Wissenschaftler in OA Publikationen vertreten sind. So sind sie in OA Journals nur wenig vertreten, bei BioMed Central dagegen eher häufig, dies auch je im Vergleich zu Deutschalnd und der Schweiz. Erwähnt wird auch SCOAP aus dem Bereich der Hochenergiephysik.
Zumindest implizit kann man den Eindruck gewinnen, dass OA nach dem goldenen Weg nur über OA Journals funktioniert oder gar nicht. Tatsache ist aber, dass auch traditionelle Journals zunehmend OA Artikel nach dem Modell 'authors pays' publizieren und damit ihre Geschäftsmodelle weiterentwicklen.
Insgesamt zeigt Bauer ein eher ernüchterndes Bild der OA Politik in Österreich. So moniert er z.B. die fehlende Berücksichtigung von OA Publikationen in Wissensbilanzen und stellt abschliessend fest, dass OA in Österreich v.a. durch Einzelinitiativen lebt.
Markus Zürcher präsentiert (ohne Folien) sehr dicht die Situation aus der Schweiz. Zu Beginn macht er klar:
"Wissenschaft ist per se grenzüberschreitend, in jeder Hinsicht".Die Schweiz hat somit auch in der Konsequenz keine eigene, nationale OA Politik.
Er unterscheidet dann zwei Ligen, in denen Wissenschaft stattfindet:
In der 1. Liga finden sich die STM Disziplinen: internationale Orientierung, Englisch als lingua franca, OA weit verbreitet, internationale Verlagslandschaft. In der 2. Liga sind nach Zürchers Einschätzung v.a. die Geistes- und Sozialwissenschaften zu finden: nationale Orientierung, häufig Deutsch als Publikationssprache, nationale Verlagswirtschaft. Sicher, die Darstellung ist auf einem hohen Abstraktionsniveau, allerdings ist sie nach meinem Empfinden zu wenig differenziert, die Aussage zu wenig relativiert. Wissenschaft ist eben viel facettenreicher und komplexer als viele uns glaubend machen wollen. Genau diese Differenzierung nach Disziplinen war ja dann auch Thema bei 3 von 4 Beiträgen in der 'offenen Session' am Nachmittag.
Zürcher stellt auch klar fest, dass der SNF nicht in OA Infrastrukturen investiert, unterstützt aber sehr wohl OA Zeitschriften auch finanziell im Sinne einer Subvention. Für ihn ist klar, dass die Umstellung auf kompletten Open Access massive Investitionen verlangt und vor allem die Finanzierungsmodelle neu geregelt werden müssen, und zwar international, nationale Wege machen keinen Sinn. Hier also der Ruf nach neuen Geschäftsmodellen, die ja an der Tagung auch disktueirt werden. Er ergänzt:
"Durch OA können keine Mittel eingespart werden."Zürcher fordert einen Weg zu gehen, der möglichst alle Stakeholder einbindet:
"Das Bestehende darf durch das neue nicht gefährdet werden"Das heisst natürlich auf der anderen Seite Kompromisse einzugehen und für absehbare Zeit in einer hybriden Welt zu leben. Und zur Rolle des (Urheber-) Rechts:
"OA nicht gegen, sondern mit den Verlegern umsetzen"
"Das Recht soll die Dinge so regeln wie sie für die Subjekte Sinn machen"Am Nachmittag gab es dann sechs parallel Sessions; ich selbst war in der 'offenen Session' vertreten, für die man Beiträge einreichen konnte, alle anderen Session waren jeweils mit 'eingeladenen Vorträgen' bestückt (Passt das eigentlich zum OA Gedanken?).
In meinem Beitrag (pdf) ging es mir darum deutlich zu machen, dass die verschiedenen Disziplinen sehr unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen für eine Open Acess Umsetzung. Und nur wenn man man dies berücksichtigt und damit die 'Betroffenen', nämlich die, die Open Access publizieren sollen, in ihrem Bedürfnissen vesteht und somit mitnimmt, kann OA sich durchsetzen. 'Sonntagsreden' und Beschlüsse von SNF und DFG allein reichen da nicht aus. Und nicht nur ich komme in meinem Beitrag zum Schluss, dass offensichtlich OA bei den Betroffenen weit weniger angekommen ist als man vermutet würde. So bestehen ganz offensichtlich massive Informationsdefizite auf der Ebene der Wissenschaftler bezüglich OA im Allgemeinen aber auch in Bezug auf die konkrete Umsetzung.
Dass institutionelle Repositories kaum eine Rolle spielen beim OA Pulizieren wurde auch zumindest in der Diskussion zum Beitrag von Heidemarie Hanekop (link SOFI Göttingen) (Folien) bestätigt.
Aus meiner Sicht, und das war mein letzter Punkt, werden die Fachgesellschaften, die Scientifc Communities, in der Diskussion rund um OA zu wenig berücksichtigt. Das Thema Open Access und Association Publishing habe ich hier ja bereits diskutiert.
Diese Organisationen leisten zumindest im Bereich der Information Systems, den ich gut kenne, einen dem Wissenschaftler äussert nützlichen Dienst, in dem z.B. aktuelle Conference Proceedings, aber auch Zeitschriften, zeitnah, ohne Embargo, quasi in Realzeit, der Communitiy verfügbar gemacht werden. Mehr will ich doch gar nicht als Wissenschaftler. Das ist faktischer Open Access!
Ein anderer Aspekt in dieser Session, den ich noch erwähnen möchte, war die Polarisierung in OA Journals und traditionelle Journals. Es wird hier immer wieder Schwarz-Weiss gedacht. Dabei ist doch der goldene Weg eine Möglichkeit für traditionelle Journals sich zu entwickeln.
Ein konkretes Beispiel ist Electronic Markets - The International Journal on Networked Business, bei dem ich selbst als Associate Editor tätig bin. Zu Beginn des Jahres 2009 haben wir den Verlag gewechselt und sind nun bei Springer. Völlig unerwartet sind drei Papers der ersten beiden Ausgaben 2009 frei verfügbar, also Open Access, hier nach dem Springer Open Choice Modell. Das sind immerhin 21% aller Papers der beiden Ausgaben, also ein Fünftel - auch das ist Open Access.
Und selbstverständlich werde diese Papers genau so begutachtet wie alle anderen; zu Beginn des Review Prozesses ist nicht einmal bekannt, ob das Paper OA publiziert wird, der Entscheid hat also keinen Einfluss auf den Review Prozess.
Insgesamt plädiere ich für eine sachliche und differenzierte Diskussion und Auseinandersetzung rund um Open Access, die alle Stakeholder des Ökosystems Journal Publishing miteinbezieht.
Mehr zu Open Access in diesem Blog gibt's hier.
Bildquelle: open-access.net
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Ergänzung 14. Okt. 2009: Die Vortragsfolien der gesamten Tagung sind (weitgehend) Online über das Tagungsprogramm abrufbar.
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