Nun gibt es ein weiteres Beispiel aus den USA, Spiegel Online berichtet darüber am 16.2.2009: "Experiment in San Francisco: Bürger sollen den Zeitungstod stoppen".
"San Francisco droht zur ersten US-Großstadt ohne seriöse Tageszeitung zu werden. Mit "The Public Press" rüstet sich eine unabhängige Redaktion für das mögliche Demokratiedesaster - und will mit einem neuen Geschäftsmodell die freie Presse retten."Nicht gerade ein bescheidener Anspruch!
Der Hintergrund: Der drohende Untergang des San Francisco Chronicle (vgl. Eintrag "Mediennutzung - Zeitungen in den USA").
"Der "Chronicle", Auflage 339.000, ist die größte Zeitung der acht Millionen Einwohner umfassenden Metropolregion. [...]Der Chronicle ist bei weitem nicht die einzige US Zeitung, die vom Untergang bedroht ist:
2008 hat der "Chronicle" jeden Monat mehr als eine Million Dollar verloren. Der Hearst-Verlag, dem die Zeitung gehört, erklärte, falls es keinen Ausweg aus dem Kostenstrudel gebe, "werden wir keine andere Wahl haben, als schnell einen Käufer für den 'Chronicle' zu finden oder ihn ganz einzustellen" [...]
In der Redaktion des "Chronicle" herrscht Endzeitstimmung."
" "Bis 2009 oder 2010 werden manche Ein-Zeitungs-Märkte Null-Zeitungs-Märkte sein", prognostiziert Mike Simonton, Analyst für den Printsektor bei der Ratingagentur Fitch."Und die Folge?
(vgl. auch Landkarte der US Zeitungspleiten)
" "Der Tod des 'Chronicle' wäre eine Katastrophe", sagt "Public Press"-Chef Stoll. [...] "Es wäre ein demokratisches Desaster"."Ob es die traditionellen Massenmedien tatsächlich braucht und welche Rolle sie (heute) spielen, wird u.a. hier kontrovers diskutiert.
Einspringen will hier jetzt "The Public Press", ein Projekt von Michael Stoll, auch wenn Stoll "The Public Press" (noch?) nicht als Ersatz einer traditionellen Tageszeitung wie den Chronicle sieht. Stoll ist Dozent für Journalistik an der School of Journalism and Mass Communications der San Jose State University und Initiator dieses Projekts:
"... er selbst ein Medium schaffen, das seinen ambitionierten Qualitätsvorstellungen gerecht wird - und er will ein Geschäftsmodell etablieren, mit dem eine gedruckte Zeitung im Umfeld bröckelnder Anzeigen überleben kann.Im FAQ des Projektes liesst es sich dann so:
Er plant eine Tageszeitung, die keine Anzeigen druckt, die lokal fokussiert ist und auf Boulevardthemen weitgehend verzichtet."
"A concept for a noncommercial daily newspaper.Stoll will das Projekt ausschliesslich über kostenpflichtige Abos, Straßenverkauf und Finanzspritzen philantropischer Wohltäter finanzieren.
It’s owned and operated as a nonprofit charitable organization. 2) It accepts no (or very little!) advertising."
"Wenn 50.000 Leser ein Jahresabo zu 100 Dollar kaufen, haben wir fünf Millionen Dollar zur Verfügung, Spenden nicht eingerechnet", sagt Stoll. "Eine schlanke Lokalzeitung ließe sich damit schreiben, drucken und ausliefern."Damit verabschiedet sich Stoll klar von einer weitgehend durch Werbung finanzierten Zeitung. Wie soll das funktionieren? Sind die 50.000 Vertreter des Milieus der Informationsbohème, wie es Miriam Meckel hier formuliert hat, welche die Zeitung retten soll? Es schreint fast so.
"Stoll hofft darauf, dass Redakteure und Reporter seine journalistischen Ideale honorieren und ihm Starthilfe geben. "Es gibt schon heute massenweise Profi-Journalisten, die ihren Job verloren haben, die aber dennoch darauf brennen, die Geschichte der Stadt zu erzählen", sagt er."Die Journalisten müssen aber zunächst ohne Lohn arbeiten! Bisher hat "The Public Press" Spenden in Höhe von 26'000$ erhalten - wohl kaum eine Basis für eine erfolgreiche Zeitung, oder doch? Stoll ist jedenfalls von seinem Konzept überzeugt.
Explizit wird es bei "The Public Press" aber keinen 'citizen journalism' (Bürgerjournalismus) geben (insofern ist die Spiegel Online Überschrift etwas irreführend), aber "the paper should reverse-publish selected Web comments, blog posts and reporting." - sagt der FAQ.
" "Die Krise kann Innovationen beschleunigen", sagt er. "Und das jetzige Geschäftsmodell von Tageszeitungen ist definitiv gescheitert." "Recht hat er!
Also bleibt uns nur, Michael Stoll viel Glück zu wünschen und ein weiteres Projekt auf die Liste der Versuche, die Zeitungen zu retten, zu setzen. Sie wird länger und länger ...
Und der letzte Beitrag auf http://www.public-press.org vom 16.3.2009, 11:22pm, beschäftigt sich mit dem Chronicle: "Public forum on Chronicle to focus on impact of possible closure".
Bildquelle: The Public Press
1 Kommentar:
Unter dem Titel "Man kann mit sehr wenig sehr viel machen" berichtet die NZZ vom 6. April 2009 über The Public Press.
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