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17. Oktober 2010

1. Kongress der Integrata-Stiftung: Mehr Lebensqualität durch IT! - Ein persönlicher Rückblick

Am vergangenen Donnerstag fand in Karlsruhe 1. Kongress der Integrata-Stiftung: Mehr Lebensqualität durch IT! statt, ich habe auf dem FHS eSociety Blog darüber berichtet. Hier möchte ich noch einige eher persönliche Kommentare ergänzen.

Von den drei Keynotes fand ich den Beitrag von Hermann Maurer besonders inspirierend. Es ist durchaus ein Vergnügen im zuzuhören. Maurer, Jg. 1941, hat Mathematik studiert und ist Professor für Informatik an der TU Graz (offizielle Homepage, Eintrag bei Wikipedia). Er ist sicher einer der Pioniere im Bereich Web-basierter Informationssysteme und Wissensmanagement. Ausserdem ist er auch noch als Science Fiction Autor tätigt und hat bereits zahlreiche Werke veröffentlicht.  Und während anderorts um die Rente mit 60, 62, 65 oder 67 gestritten wird, ist Maurer, längst im Rentenalter, immer noch sehr aktiv und beschäftigt sich mit den Fragen der Gegenwart und Zukunft. 
Seine Aussagen wie "der IQ macht keinen Sinn" - weil man Intelligenz nicht definieren kann - provozieren. Und er macht auch keinen Hehl aus seinen Überzeugungen: "Das Handy wird zur eierlegenden Wollmilchsau".
Besonders gefallen hat mir, dass er, wenn auch indirekt, auf die fehlende Medienkompetenz der Webnutzer hinweisst; dies anhand des seiner Meinung nach blinden Vertrauens in Suchmaschinen - dessen Gefahren er sogleich an einem konkreten Beispiel aufzeigt, nämlich auf der Suche nach Aussagen zur Giftigkeit eines Pilzes. 
Gefallen haben mir auch die Aussagen zum eLearning. Nicht das WIE, sondern das WAS und WANN seien eigentlich die zentralen Fragen. Seine Ideen gehen also weit über die (mehr oder weniger) reine Digitalisierung traditioneller Lehr- und Lernprozesse hinaus, wie sie heute oft mit eLearning Systemen realisiert werden, ohne unser eigentliches Lern- und Lehrverständnis grundsätzlich zu hinterfragen. Sicher, die Aussage, dass man zukünftig mit 14 Jahren bereits Abitur machen und jedes Jahr (bis zum 80. Lebensjahr) zwei Wochen zur Schule gehen solle, sind provokativ - aber regen das Nachdenken an! 
Ebenso die Aussagen zum WAS des Lernens: Wozu benötigen wir heute noch die perfekte Handschrift, zu der Kinder erzogen werden? ... fragt er ebenso provokativ. 
Gefallen hat mir persönlich auch seine grundsätzlich positive Wahrnehmung der Rolle des Computers im Zusammenspiel mit dem Menschen, aber ohne die gefahren zu vernachlässigen. 
Hermann Maurer zuzuhören täte so manchem Politiker von heute, der sich oberflächlich und visionslos mit der Informations- und Wissensgesellschaft beschäftigt, sehr gut!

Auch Andreas Meier und Wolfgang Braun haben die fehlende Medienkompetenz indirekt angesprochen: Meier, indem er darauf hinweisst, dass eParticipation mehr ist, sein muss, als nur traditionelle Prozesse zu digitalisieren. Um sich aber z.B. in eDiscussions zu engagieren, ist ein Mindestmass an Medienkompetenz notwendig. 
Auch Braun wiess in seinem Fazit darauf hin, dass wir nur mit Hilfe genügender Medienkompetenz den negativen Folgen des Information Overflow begegnen können. 

Bei der Preisverleihung des Preises für humane Nutzung der Informationstechnologie haben alle drei Preisträger (vgl. Blogbeitrag bei FHS eSociety Blog) auf überzeugende Weise gezeigt, wie man die IT zum Nutzen der Gesellschaft einsetzen kann. Insbesondere das Siegerprojekt Projekt Freie Netze. Freies Wissen. finde ich sehr überzeugend; hier werden allgemeine Erkenntnisse zu Fragen der Informationsgesellschaft konkret lokal umgesetzt. Ich habe in den Beiträgen “Think Global – Act Local” – Wie die Informationsgesellschaft greifbar werden kann und Open-Commons-Region Linz: Fakten, Perspektiven, Massnahmen bereits darauf hingewiesen.
Ich selbst war als Mitglied des Fachbeirats der Integrata-Stiftung Teil der Wettbewerbsjury.
Von den drei parallelen Sessions am Nachmittag habe ich die Kommunikation besucht. Karsten Wendland (Hochschule Aalen und Institut für Sozialinformatik) zeigte einen Überblick über den Social Media Einsatz in der Unternehmenspraxis. "80 Prozent der Führungskräfte nutzen soziale Medien (faz.net)- aber wofür?" fragte er zu Beginn. Er zeigte u.a. das Beispiel der Hej Community von IKEA. Zur erfolgreichen Gestaltung von Social Media - Anwendungen verwies er u.a auf die von Erin Malone  entwickelten Konzepte (vgl. Designing Social Interfaces (Buch), 5 Steps to Building Social ExperiencesMalone's Folien auf slideshare). 

Klaus Stöhlker referierte (kurz) zum Thema Die Verantwortung der IT gegenüber der Gesellschaft. Bevor er zu seinem Punkten kam, äusserte er sich - gewohnt provokant - auch pointiert zu Social Media Anwendungen mit Bemerkungen wie die folgende:

Sein Kernanliegen war die Forderung nach einem Ethik-Konzept der IT-Industrie; aus der Zusammenfassung seines Vortrags (Vortragsmanuscript (pdf)):
"Die IT-Industrie, seit 50 Jahren eine Schlüsselindustrie des wirtschaftlichen Fortschritts, ist zum bedeutendsten Entwicklungsfaktor des 21. Jahrhunderts geworden. Sie steuert die Prozesse der Finanzwirtschaft, ist Tragerin der wirtschaftlichen und politischen Globalisierung, macht die professionellen Armeen schlagkraftig und begleitet den Menschen durch sein tägliches Leben. Es ist an der Zeit dass die globale IT-Industrie sich ein Ethik-Konzept gibt, in welchem die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Entwicklung selbstbestimmt vereinbart werden."
Als ehemaliger Preisträger war ich dann am Abend noch beim Preisträgertreffen. Rudi Studer, Karlsruher Institut für Technologie, hielt den Dinner Vortrag zum Thema "Anwendungsperspektiven des Semantic Web". 
Rudi Studer


Update 22. Okt. 2010:

Die Unterlagen zu allen Vorträgen des Kongresses sind über das Portal humanIThesia.org verfügbar. 

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