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5. November 2009

Studie "Die nächsten 20 Jahre der Informationsgesellschaft" veröffentlicht

Im Rahmen der Tagung des Münchner Kreises "Die nächsten 20 Jahre der Informationsgesellschaft" am 5. und 6. November 2009 in Berlin werden die Ergebnisse der internationalen Delphistudie „Zukunft und Zukunftsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien und Medien“ vorgestellt (Pressemitteilung).

Eine Kurzfassung der Studie (20 Seiten) ist hier erhältlich, die komplette Studie (302 Seiten) hier. In der Langversion werden die Ergebnisse in 37 Kapiteln aufbereitet.

Die Studie analysiert die Branchentrends bis 2030 und wagt somit einen weiten Blick in die Zukunft einer sich schnell entwickelnden Branche. Bedenkt man, dass das Web gerade einmal 20 Jahre alt ist, macht der Blick um 20 weitere Jahre voraus neugierig. Wer hat vor 20 Jahren die Entwicklungen, die wir bis heute erlebt haben, tatsächlich vorausgesehen?

Insgesamt wurden 551 Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu den zentralen Entwicklungen ihrer Branchen für die kommenden zwanzig Jahre befragt. Die Studie wurde von TNS Infratest im Auftrag von Münchner Kreis, EICT, Deutsche Telekom, TNS Infratest sowie den Förderern und Unterstützern Siemens, Focus, Vodafone, VDE, SAP, Google, IBM durchgeführt und im Rahmen des IT-Gipfelprozesses vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) unterstützt.

In der Executive Summary werden die Ergebnisse in fünf Kernbotschaften zusammengefasst.

In der ersten Botschaft wird festgestellt, dass die Entwicklungen zur Informationsgesellschaft unumkehrbar sind und die Durchdringung aller Lebensbereiche mit IKT weiter zunehmen wird. Dabei wird insbesondere ein Gleichlauf technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen angemahnt. Gefordert werden die Verbesserung von Informations- und Medienkompetenz bei Bürgern und insbesondere Kindern und Jugendlichen sowie vor allem ein Bewusstseinswandel bezüglich der Rollle und der Wirkungen der IKT in allen Lebensbereichen. U.a. wird ein Fach 'Medienkunde' an den Schulen gefordert.

In Botschaft zwei werden Akzeptanz und Vertrauen der Bürger thematisiert; man geht davon aus, dass in 6 bis 10 Jahren digital vernetzte Assistenten weit verbreitet sein werden, aber die Herausforderungen des Umgangs mit (multiple) digitalen Identitäten nach wie vor nicht gelöst sind. So werden die Implementierung "weltweit geeignete Massnahmen der IT-Sicherheit" sowie ein "einfach handhabbares Identitätsmanagement" gefordert.

Botschaft drei fordert den Ausbau einer leistungsfähigen Kommunikationsinfrastrukturen als Basis der Informationsgesellschaft. Dadurch soll Innovation und Nachhaltigkeit ermöglicht werden und neue Märkte erschlossen werden.

Die Botschaft vier widmet sich dem mobilen Internet und seiner herausragenden Bedeutung in der Zukunft.

Schlussendlich beschäftigt sich Botschaft fünf mit der Dynamik der IKT und den Auswirkungen auf die Wirtschaft durch entsprechende Innovationen. Die soll u.a. in den deutschen Schlüsselindustrien auch durch den Open Innovation - Ansatz erreicht werden.


Anschliessend werden die Themenblöcke zusammengefasst. Eine ausführliche, detaillierte und grafische aufbereitete Darstellung der Ergebnisse findet man in der 302-seitigen Langversion. Die beschriebenen Entwicklungen bleiben - zumindest in der Executive Summary - eher allgemein und vage. Zum Identitätsmanagement und der informatiellen Selbstbestimmung liesst man z.B.:
"Dies wird es frühestens ab dem Jahr 2020, möglicherweise aber auch noch deutlich später oder nie geben."
Für Deutschland wird es
"als Utopie angesehen, dass der Einzelne die vollständige Kontrolle über die Verwendung seiner persönlichen Daten im Internet hat bzw. diese gewährleistet ist".
Es wird prognostiziert, dass ab dem Jahr 2020 die Bevölkerung in Europa
"ein multimediales mobiles Endgerät als verbindendes Element der klassischen Medien wie Buch, Zeitung und Zeitschrift, Fernsehen und Internet zur Darstellung von Texten, Bildern, Musik und Videos nutzen."
Frühestens im Jahr 2020 kommt das weltweit einsetzbare 'mobile wallet'.
Es folgen Aussagen zur Innovationspolitik und Infrastrukturentwicklung; IPv6 wird ab 2019 verbreitet sein und das Internetprotokoll als solches wird frühestens ab 2030 abgelöst. Das semantische Web ist ab 2019 integraler Bestandteil des Internet.

Auch wenn das Internet das Unterhaltungsmedium Nummer 1 werden wird, verändert sich der Medienkonsum kaum, Kurzformate wie Videoclips oder User Generated Content werden keinesfalls dominieren. Und die öffentliche demokratische Meinungsbildung wird auch zukünftig den staatliche, öffentlich-rechtlichen Medien obliegen. Klassische Medien wie Zeitungen und Zeitschriften werden "konvergent erweitert", wesentliches ändert sich aber nicht. Ab 2020 werden 75% der Bevölkerung individualisierte E-Tageszeitungen nutzen, dies aber parallel zu den Printversionen. Ab 2015 wird es für eine Mehrheit normal sein, für "professionell erstellte Medieninhalte" zu bezahlen. Dies wird die Medienindustrie sicher freuen, sollte es so kommen. Insgesamt scheinen die Aussagen zur Entwicklung im Medienbereich doch eher konservativ zu sein und bewegen sich entlang eher traditioneller Vorstellungen.

Die "Rund-um-die-Uhr" Betreuung von auf Hilfe angewiesener Menschen mit Hilfe von IKT-Systemen wird 2024 "medizinischer Versorgunsstandard" sein.

Auch wenn das Auto sicherer und effizienter wird, so wird das autonome Fahren frühestens ab 2030 Realität werden.

Soweit einige Erkenntnisse der Studie. Was soll man davon halten? Alles, was hier beschreiben wird, kennen wir bereits heute, von Green IT über Ambient Assisted Living AAL bis hin zu Location Based Services. Es werden im Prinzip keinerlei Entwicklungen oder Szenarien skizziert, die über das heute bereits zumindest in den Köpfen vorhandene hinausgeht. Man findet nichts wirklich überraschendes, das ungläubige Stauen bleibt aus. Die Studie bewegt sich weitgehend in den heutigen Denkschemata. War denn heute vor 20 Jahren auch alles das, was wir heute kennen, bereits angedacht und thematisiert? Kaum vorstellbar ehrlich gesagt. Spontan fallen mir hier z.B. die Aussagen zur maximalen Datenübertragungsrate über Kupferkabel ein ... Und es gibt weitere Beispiele die deutlich machen, wie man vor 20 Jahren nicht im Traum an Dinge dachte, die wir heute selbstverständlich nutzen und erleben.

Wird die Zukunft denn wirklich so wenig überraschend ...?


Bildquelle und ©: flickr.com/ henning (CC Lizenz)




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