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19. April 2009

Medienkonzentration, lokale Medien und Bürgerdemokratie - empirische Befunde

Im Rahmen der Diskussion um die Zeitungskrise und das Zeitungssterben wird als ein Aspekt immer wieder der Zusammenhang zwischen lokalen Medien bzw. lokaler Medienberichterstattung und der Wahrnehmung demokratischer Rechte durch die Bürger. Z. B. hier: " 'The Public Press" - neues Geschäftsmodell zur Vermeidung eines Demokratiedesasters ?'. Allerdings stehen häufig eher vordergründige Motive im Vordergrund, selten empirisch belegt.

In seinen Beiträgen "Lokale Medien in Not - ist der Patient zu retten?" und "Einheitsbrei statt Vielfalt" (NZZ 15. April 2009) liefert der Autor Felix Oberholzer-Gee, Professor an der Harvard Business School mit Doktortitel von der Universität Zürich, u.a. empirische Befunde für die Zusammenhänge von politischem Engagement von Bürgern und lokaler Medien und ihrer Konzentration. Er beschäftigt sich mit der Frage:
"Ist die Förderung lokaler und regionaler Massenmedien in einer globalisierten Medienwelt noch sinnvoll? Ist nicht das Internet mit seinen sozialen Netzwerken und Bloggern ein perfektes Substitut für lokale Zeitung und Fernsehen? Soll der Staat den Konsumentinnen und Konsumenten lokale Nachrichten aufdrängen, wenn diese globale Inhalte vorziehen? Dies sind einige der Fragen, welcher sich die jüngste wissenschaftliche Forschung ernsthaft angenommen hat."
Das erste Beispiel:
"Die Leserinnen und Leser aber, die vom «Fargo Forum» zur «New York Times» wechselten, gewannen wohl Einsichten über die wirtschaftliche Entwicklung in Afrika – einer der Schwerpunkte der Berichterstattung der «New York Times» –, doch verloren sie gleichzeitig an lokalem Wissen, das es ihnen erlaubt hätte, am politischen und sozialen Leben in Fargo teilzunehmen.
Schätzungen [...] deuten darauf hin, dass die Stimmbeteiligung gebildeter Wählerinnen und Wähler in Lokalwahlen um 6 Prozentpunkte nachgibt, wenn die lokale Verbreitung der «New York Times» um 1 Prozentpunkt steigt. Wissen über Afrika ist nicht besonders nützlich, wenn es darum geht, einen lokalen Repräsentanten zu wählen."
Und eine weiterer empirischer Befund:
"Die entscheidende Frage ist deshalb, ob lokale Nachrichten, wie man sie gesetzlich fordert und fördert, selbst im Zeitalter von Fernsehen und Internet noch einen positiven Einfluss haben auf das Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Um diese Frage zu beantworten, studierten mein Kollege Joel Waldfogel und ich, wie sich die Einführung spanischen Lokalfernsehens auf die Stimmbeteiligung spanischsprechender Bürgerinnen und Bürger in den USA auswirkte."

"Die Grafik zeigt, dass die Stimmbeteiligung in jenen Gebieten, die zwischen 1994 und 2002 neu Lokalnachrichten in spanischer Sprache erhielten, besonders stark anstieg. Und die Steigerung ist nach 1998 ebenso gross wie in der früheren Periode – lokale Nachrichten können also auch im Zeitalter des Internets die politische Beteiligung nachhaltig fördern."
Und auch für die Schweiz gibt es empirische Daten:
"Ähnliche Effekte lassen sich für die Schweiz finden. In einer aufschlussreichen Arbeit zeigt Christine Benesch (Universität Zürich), dass die hiesige Einführung des Lokalfernsehens die Stimmbeteiligung signifikant gehoben hat. Der Effekt ist besonders ausgeprägt bei weniger gebildeten Bürgerinnen und Bürgern, die lieber fernsehen als Zeitung lesen. Wie diese Forschungsresultate zeigen, bleiben traditionelle Medien auch im Internetzeitalter wichtig."
Oberholzer-Gee diskutiert dann auch noch die Implikationen der Ergebnisse auf die Medienstrukturplolitik der Staaten. Die aktuelle Medienpolitik vieler Staaten bewertet e mit einem "Gut gemeint, aber ...". Eine seiner Schlussfolgerungen lautet:
"Beschränkungen der Medienkonzentration, so zeigen zumindest die Ergebnisse für den amerikanischen Medienmarkt, sind allerdings das falsche Mittel, die Meinungsvielfalt nachhaltig zu fördern.
Die Vergabe von Radio- und Fernsehkonzessionen an Unternehmen, die in jedem Markt nur gerade einen Sender betreiben dürfen, führt zu einem Einheitsbrei an Inhalten, der gerade Minderheiten mit besonderen Interessen schlecht schmeckt."

Weiterführende Literatur:


Bildquelle: Flickr.com/xinyoureye

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