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9. Januar 2009

Unternehmerisch denkende Journalisten als Rettung für den Qualitätsjournalismus?

In einem Interview der NZZ vom 9. Jan. 2009 - "Es ist alles keine Katastrophe" - äussert sich der US-amerikanische Journalismus-Fachmann Jay Rosen zur Zukunft des Journalismus. Rosen ist Professor für Journalismus an der New York University (NYU Homepage, Wikipediaeintrag) und ist selbst als Blogger aktiv (u.a. PressThink). Er beschäftigt sich vor allem mit dem Bürgerjournalismus („What are journalists for?“ (1999)).
Ganz grundsätzlich sieht Rosen im Internet eher eine Chance denn eine Gefahr für den Journalismus, Gleiches gilt für Google. Er spricht von „gigantischen Möglichkeiten für Qualitätsjournalismus“ und auch davon, dass die traditionellen Geschäftsmodelle der Zeitungen nicht mehr funktionieren. Als Verfechter des Bürgerjournalismus plädiert er dafür, dass eine „Menge von Menschen“ mit ihrem „Begabungen“ heute mitmachen können, allerdings äussert sich Rosen nicht zum Qualitätsaspekt. Das Mitmachen vieler garantiert ja noch längst keinen Qualitätsjournalismus. Das Mitmachen der Bürger stellt sich Rosen offenbar so vor, dass sie mit Journalisten zusammenarbeiten; Zeitungsverlage sollten Wege finden, „die Unterstützung der Bürger in ihre Berichterstattung einzubinden.“ Also eine Art kontrollierter, kanalisierter Bürgerjournalismus? ‚Echte‘ Bürgerjournalisten werden das sicher kaum akzeptieren wollen, und ob die ‚echten‘ (Qualitäts-) Journalisten sich durch die Bürger auf diese Art unterstützen lassen, sei ebenfalls dahingestellt. Trotz aller offenen Fragen glaubt Rosen, „dass der Journalismus aus der gegenwärtigen Situation gestärkt hervorgeht.“ Vor allem die Journalisten müssen sich nach Rosen an die neue Situation anpassen: „Sie werden viele Dingen ändern müssen, vor allem ihre Einstellung zur Technologie“. Er meint damit vor allem, dass Journalisten „auf mehreren Ebenen publizieren“ sollen. Soweit so gut, das ist ja durchaus noch nachvollziehbar. Aber wie ist die Aussage zu verstehen, dass Journalisten „durch die von Lesern bereitgestellten Informationen die Qualität ihrer eigenen Berichterstattung und ihre Recherche“ optimieren sollen? Journalisten sollen sich neu erfinden, fordert Rosen und sagt dazu: „Die guten alten Zeiten sind vorbei“. Journalisten sollen zukünftig „lernen, unternehmerisch zu denken, eigene Unternehmen zu gründen“. Ist das Naivität oder einfach die amerikanische Sicht? Aus traditioneller europäischer Sicht stellt sich mir hier die Frage, wie ein Journalist unabhängigen und kritischen (Qualitäts-) Journalismus entstehen lassen soll, wenn er gleichzeitig vom wirtschaftlichen Erfolg seines Schaffens abhängig ist? Das scheint mir die Quadratur des Kreises zu sein.
Zwar konstatiert Rosen, dass die traditionellen Geschäftsmodelle der Zeitungen nicht mehr funktionieren, aber ob dieser Weg die Lösung ist, darf bezweifelt werden.
Da sind die Ideen der F.A.Z. möglicherweise eher geeignet, dem Anzeigenschwund entgegen zu wirken*: Mit Hilfe semantischer Suchsysteme will man Onlineangebote entwickeln, die dem Leser entsprechend seiner Interessen zu „Informationsnetzwerken“ verknüpfte Artikel bereitstellen. So will man einen wesentlich grösseren Anteil am Online-Werbekuchen erzielen als bisher. Man darf auf die Lösung gespannt sein.


*1000 Artikel und 1000 Leser – Wie die FAZ ihre Website stärken will“, NZZ 9. Jan. 2009 und „Die Zukunft deer Medien - Branchenvertreter diskutieren neue Geschäftsmodelle“, NZZ 7. Jan. 2009.


Weitere Beiträge über Jay Rosen z.B. in der Süddetschen Zeitung findet man hier.

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