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6. September 2009

Eröffnung der Fachtagung 'Wissensklau, Unvermögen oder Paradigmenwechsel?' - 'Lernende Bibliothek 2009'

Die Fachtagung 'Wissensklau, Unvermögen oder Paradigmenwechsel?' - 'Lernende Bibliothek 2009' ist eröffnet!

Hier folgt eine Zusammenfassung des Eröffnungsabends:

Robert Barth, Schweizerisches Institut für Informationswissenschaft (SII), Program Chair der Tagung und Studienleiter des Bachelorstudiengangs Informationswissenschaft an der HTW Chur, begrüsst im Namen des Programmkommitees die Anwesenden auf deutsch und italienisch.

Anschliessend heisst
Regierungsrat Claudio Lardi, Vorsteher des Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartements des Kantons Graubünden ('Kultusminister') die Gäste willkommen. 'Vom Spickzettel zum Plagiat' überschreibt er seinen Ausflug in die Zeiten des Spickens als Schüler und erinnert an die diversen Tricks der Schüler. Z.B. an den Schüler, der das Etikett einer Flasche gekonnt mit Formeln ersetzte. Lardi betont, dass die heutigen Möglichkeiten des Abschreibens weit weniger harmlos sind als zu seinen Zeiten als Schüler. Insbesondere weisst er auch auf die Notwendigkeit politischer Antworten auf das Problem des zunehmenden Plagiierens hin.

Es folgen die Grussworte der die Tagung tragenden Berufsverbände:

Gabi Schneider, Vorstandsmitglied Bibliothek Information Schweiz (BIS), und wissenschaftliche Projektleiterin am Schweizerischen Institut für Informationswissenschaft (SII), betont, dass die Lernende Bibliothek als Think Tank des Bibliothekswesens dient und jeweils aktuelle Fragen aus der Szene diskutiert und behandelt. Sie weisst auf die fundamentalen, aber dennoch sehr jungen, Veränderungen durch die Digitalisierung für die Bibliotheken hin. Dabei sind die Bibliotheken ein wichtiger Partner - dies ist der zentrale Ansatzpunkt der aktuellen Tagung.

Gerlinde Schmiedhofer, Vorsitzende bibliotheks verband südtirol (BVS), weisst auf die Besonderheiten des Verbandes im dreichsprachigen Südtirol hin. Schmiedhofer betont die Zusammenarbeit mit den deutschsprachigen und den italienischen Verbänden, welche die Basis der Lernenden Bibliothek sind. Sie bietet an, die Tagung 2011 wieder in Bozen durchzuführen.

Johannes Andresen,
Il web dell'Associazione italiana biblioteche (AIB), begrüsst die Anwesenden in italienisch.

Harald Weigel, Präsident der Vereinigung österreichischer Bibliothekare (VÖB), spricht die 'Orige der Grussworte' an, die aber dennoch sinnvoll und notwendig seien. Er dankt vor allem dem lokalen Organisationskommittee in Chur für die Organisation der Tagung.

Jens Renner, Mitglied des Vorstands des Berufsverbands Information Bibliothek e.V. (BIB), vergleicht die fränkische Geschichte seiner Heimat mit der Graubündens - und schlägt mit dem Beispiel der Recherche für diesen Vergleich und der Unsicherheit, inwiewiet die genutzten Online-Quellen tatsächlich zuverlässig sind, den Bogen zum Tagungsthema.

Ulrich Hohoff, Vorsitzender des Vereins Deutscher Bibliothekare e.V. (VDB), erwähnt vor allem die Tradition der Lernenden Bibliothek und weisst auf die Wichtigkeit des fachlichen Austausches anlässlich der Tagung hin. Er erhofft sich von der Tagung Antworten auf die vielen offenen Fragen, die im Umgang mit wissenschaftlichen Quellen im digitalen Zeitalter entstanden sind und weiter entstehen. Er weisst auch auf die Pflicht der Lehrenden hin, Lernende entsprechend auszubilden und zu schulen - angesichts eines offensichtlichen Wissensdefizits z.B. bei Studierenden in Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen.


Der wissenschaftliche Eröffnungsvortrag wird gehalten von
Gerhard Fröhlich, Institut für Philosophie und Wissenschaftstheorie, Johannes Kepler Universität Linz, und trägt den Titel "Plagiat als Massenphänomen? Gegenstrategien von Informationswissenschaft und Bibliothekswesen" (Abstract).



Ist das Plagiieren wirklich ein Massenphänomen? Fröhlich relativiert die in der Presse kursierenden Zahlen, die behaupten, dass bis zu einem Drittel der Wissenschaftler plagiieren. Er verneint zwar das Massenphänomen, weisst aber auf die grossen Gefahren hin.

Das klassische Textplagiat ist für Fröhlich eher harmlos. Viel gravierender sind aber z.B. Plagiate bei Forschungsanträgen aufgrund der Geheimhaltung in diesem Bereich. Der Klau von Ideen ist wesentlich schwerer zu identifizieren als z.B. einfache Textplagiate. Sonderfälle sind für ihn Bildplagiate und 'Auto-' Plagiate; letztere sind eigentlich keine Plagiate im Sinne des Wortes.

'Wozu die Aufregung?' fragt Fröhlich provozierend. Er betont die Wichtigkeit der Währung in der Wissenschaft - die Publikation - und thematisiert den drohenden Verfall des Wissenschaftsethos' durch Plagiieren in diesem Zusammenhang.

Im Zusammenhang mit dem aktuellen Skandal in Deutschland um 'gekaufte' Doktorarbeiten fordert Fröhlich, dass auch Suchmaschinen keine 'wissenschaftszersetzenden' Inserate - z.B. solche von Promotionsberatungsfirmen - mehr schalten dürfen.

Zur Anti-Plagiats-Software sagt er, dass sie eigentlich ziemlich dumm ('dümmlich') ist und es immer noch erhebliche intellektuelle Arbeit benötigt, um tatsächlich ein Plagiat zu erkennen. Er spricht von einer 'Aufrüstung' der Schreibunwilligen, indem es immer neue Mittel und Wege zur Erschleichung von wissenschaftlichen Arbeiten und Titel gibt. Er fordert, dass die Softwarelösungen z.b. linguistische Programme adaptieren, um Plagiate zuverlässig zu erkennen.

Was sind nun die Gegenstrategien?
Er fordert u.a. Wissenschafts- und Informationsethikkurse für Studierende - die allerdings ambivalente Effekte haben, da Studierende dadurch möglicherweise auf Fälschungsmöglichkeiten hingewiesen werden. In Linz wird konsequent auf diesen Weg der Betreuung und Schulung gesetzt sagt Fröhlich.

Darüber hinaus fordert er 'Informationskompezentsteigerung' anstatt eher formaler Einführungen und Trainings in Datenbanken und Suchmaschinen.

Eine konsequente Veröffentlichung aller Abschlussarbeiten ist ebenfalls nötig als Gegenstrategie einschliesslich einer konsequenten Open Access - Publikation dieser Arbeiten. 'Radikale Öffentlichkeit' als (fast) perfekte Gegenstrategie gegen Betrug jeglicher Art. Fröhlich fordert explizit die Gründung von Open Access - Journalen und - Servern.

Er verweist zum Schluss nochmals auf die Vorbildwirkung und Betreuung der Studierenden.

Fröhlichst statements werden sicher anlass zur Diskussion für den Verlauf der Tagung unhd insbesondere auch das abschliessende Panel geben!



Musikalisch umrahmt wird der Eröffnungsabend von Carlo Schöb, Tenorsax.



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