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17. September 2017

Methodischer Optimismus - was der Detailhandel von Hernán Cortés lernen kann

Cortés versenkt seine Schiffe
(Wikipedia)
Beim Tagblatt findet man heute den Artikel Ladensterben: Ratlos in der Einkaufsmeile. Es geht einmal mehr um das Ladensterben - und den Onlinehandel, der als Haupschuldiger, neben dem Einkaufstourismus, identifiziert wird.
"Noch wissen die Detailhändler nicht, wie sie ihm begegnen sollen."
Es gibt auf Facebook dazu passend eine Gruppe zur Trauerbewältigung - auch wenn das Ziel der Gruppe ein anderes ist.

Die Ratlosigkeit wird schon im Anriss deutlich. Und etwas ratlos machen mich einige der zentralen Aussagen im Text selber.

Wie aus einer anderen Zeit klingt der erste Satz im Text, der die Reaktion eines Detailhändlers wiedergibt:
"Dass seine Facebook-Seite so viel beachtet werde, hätte er nicht erwartet"
Wie gesagt, das ist aus dem September 2017, im Jahr 14 von Facebook und Social Media.

Und selbst wer von den Detailhändlern Online geht, gibt den Grossen die Schuld am mangelnden Erfolg. Und dummerweise kostet eine Onlinepräsenz auch noch etwas:
"Aber die Kunden müssen den auf Google auch finden können. Und auch das kostet."
Der Kollege Thomas Rudolph weisst dann dankenswerterweise auf das veränderte Kundenverhalten hin:
"Und auch wer in die Stadt zum Shoppen geht, sucht erst im Internet nach Geschäften, die die gewünschten Produkte anbieten. [...] «Cross-Channel» heisst das Zauberwort der Branche: Wer Online und Laden geschickt verbindet, der gewinnt, ist man überzeugt."
Aber die Aussagen scheinen zu verhallen. So wird der Inhaber von Mode Weber mit der Aussage zitiert, dass er auf keinen Fall einen Onlineshop eröffnen will. Und die zitierte Aussage «Die meisten Shops sind defizitär.» macht mehr als deutlich, dass man von Cross- oder Omnichannel nocht Nichts gehört hat. Zu recht sagt Herr Weber, dass Online ein anderes Geschäft ist. Aber gleichzeitig wird ein Café eröffnet. Immerhin, man ist auf Instagram und Facebook präsent und hat eine Bonus-App.

Dann wird das Beispiel der Papeterie Markwalder genannt:
"Auch die Papeterie Markwalder setzt neue Produkte auf Facebook, Pinterest und Instagram in Szene. «Das Resultat ist schwer zu messen», sagt Geschäftsführer Ralph Bleuer. «Aber man muss auf allen Wegen versuchen, das rettende Ufer zu erreichen.» "
Fragt sich nur, wo das rettende Ufer ist...

Sicher, Spontaneinkäufe im Laden gibt es immer noch, aber selbstverständlich auch Online! Aber wer davon überzeugt ist, dass Trendartikel oder Geschenke Online schwer zu finden seien und fast verwundert feststellt "Aber auch im Internet winkt schon das schnelle Schnäppchen", der kennt den Onlinehandel nicht wirklich. Als gäbe es Onlineshops für Schnäppchen wie Qoqa oder Daydeal erst seit kurzem (für's Protokoll: die beiden Shops sind Online seit 2005 bzw. 2009).

Ein (subjektiver) Erfahrungsbericht drüben bei kurzverbloggt.ch spricht darüber hinaus Bände.

Zwar werden die Realitäten des Handels durchaus gesehen und anerkannt - «Der klassische Laden ist ein Auslaufmodell» -  aber anstatt Trauerbewältigung täte etwas mehr Mut, etwas Neues zu wagen, auch dem stagller Detailhandel gut! Aber solange Online als böse Konkurrenz, die sich sowieso nicht rechnet, betrachtet wird, solange wird man das tiefe Tal der Tränen kaum verlassen.

Sicher, einfach ist es nicht, Patentrezepte gibt es auch nicht, aber ist es nicht gerade auch der Mut, etwas Neues zu machen, ein Kennzeichen eines Unternehmers?
Beispiele für eine Bewältigung der Herausforderungen der Digitalisierung gibt es durchaus im Markt, vgl. z.B. hier und hier.

Mein geschätzter Kollege Reto Eugster hat auf der 7. Ostschweizer Gemeindetagung am vergangenen Freitag ein wunderbares und durchaus provokantes Referat zum Thema Pessimisten haben recht, Optimisten Erfolg: gehalten. U.a. sprach er über den methodischen Optimismus.

Zum erwähnten Hernán Cortés - Modell nur soviel: Nachdem Hernán Cortés Mexiko entdeckt hatte, versenkte er seine gesamte Flotte, um es seinen Gefolgsleuten zu verunmöglichen, das Neuland zu verlassen. (Mehr zum historischen Hintergrund bei Wikipedia)


Update 18.9.2017
Passend zum Thema das Interview mit dem Tommy Hilfiger Chef in der NZZaS vom 17.9.2017: Tommy-Hilfiger-Chef: «Ein Drittel unserer Kunden kauft online ein»


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