Quelle: flickr/democracychronicles (CC BY 2.0) |
Aber heute, im digitalen Zeitalter, reibt man sich zunehmend verwundert die Augen. Sicher, die totalitären Staaten sind weiterhin totalitäre Überwachungsstaaten, die ihre Bürger systematisch ausspionieren.
Aber was passiert in den freien, demokratischen, rechtsstaatlichen westlichen Demokratien?
Egal ob bürgerlich oder sozialistisch regiert, der Dammbruch zur mehr oder weniger totalen Überwachung unserer digitalen Kommunikation ist längst passiert. Gerade heute lesen wir, dass die sozialistische Regierung in Frankreich den Weg frei macht für "Massnahmen, die unter anderem das Abhören von Telefonen und den Einsatz versteckter Kameras auch ohne richterliche Genehmigung erlauben."
In vielen Ländern ist die Vorratsdatenspeicherung (Themenseite bei Telepolis) hoffähig geworden. In Deutschland macht die linke SPD eine Kehrtwende um 180 Grad frei nach dem Motto was interessiert mich mein Geschwätz von Gestern und setzt sich vehement für die Vorratsdatenspeicherung ein.
Dabei hat der Europäische Gerichtshof im April 2014 der Vorratsdatenspeicherung klar eine Absage erteilt: "Ohne Verdacht auf Straftaten sei die Datensammlung EU-rechtswidrig". Mahnende und vor einem Dammbruch warnende Kommentare bleiben weitgehend ungehört - bei der Politik und bei der Bevölkerung.
Und auch wenn das Ausspähen unter Freunden gar nicht geht, passiert es nach wie vor, ohne dass es einen grösseren Aufschrei bei irgendeiner Gruppe gäbe.
Das, was die USA und ihre Dienste veranstalten, hat nach meiner Empfindung kaum mehr etwas mit einem demokratischen, freiheitlichen Rechtsstaat zu tun.
Das Ausspähen unter Freunden, das Speichern von Daten auf Vorrat, erinnert mich - auch wenn der Vergleich ganz sicher hinkt! - an die sog. IM (Inoffizielle Mitarbeiter) der Stasi in der DDR: Systematisch spionieren Freunde Freunde, Kollegen Kollegen, ja sogar Familienmitglieder Familienmitglieder aus, alles zu Handen des Staatsapparates, zur Sicherung des Friedens und der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung.
Und auch in der Schweiz ist man auf dem besten Weg, die Überwachung der digitalen Kommunikation der Bürger systematisch aufzugleisen. Schon längst setzt offenbar der Kanton Zürich - und nicht nur der - sog. Staatstrojaner (amtliche Spähsoftware zur Online-Überwachung) ein, auch wenn die rechtlichen Grundlagen nicht eindeutig sind, um es einmal vorsichtig zu formulieren, und es auch sonst genügend Gründe gegen Staatstrojaner gibt.
Und dann ist da noch die Revison des BÜPF (Gesetzessammlung), das vor allem die Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz auf eine legale Grundlage stellt. Das Gesetzt wurde im Juni 2015 im Nationalrat angenommen. Und auch das umstrittene Nachrichtendienstgesetz (NDG) (worum geht's?) wurde inzwischen angenommen.
Die Politiker, die die staatlichen Überwachungsmassnahmen Stück für Stück einführen, empfinde ich als doppelzüngig.
Einerseits führen sie die staatliche Überwachung ein, sammeln Daten auf Vorrat. Aber genau die Datensammelwut werfen sie andererseits den grossen Internetfirmen vor. Und fordern nicht selten Konsequenzen, die bis zur Offenlegung der zentralen Geschäftsgeheimnisse und der Zerschlagung der Unternehmen reicht. Sicher, die hier angesprochenen Unternehmen aus den USA sind keine Waisenknaben! Sie nutzen die gegebenen Rahmenbedingungen durchaus schamlos aus, gehen an die Grenzen, reizen diese aus. Ökonomisch gesehen mag das Verhalten nachvollziehbar sein, aus ethischer Perspektive kann und muss man darüber sicher diskutieren.
Fakt ist aber, das sämtliche dieser Unternehmen in einem System von Gesetzen und Finanzaufsicht eingebunden sind. Richterliche Urteile werden, wie es sich für einen Rechtsstaat gehört, weitgehend umgesetzt. Sei es das Verpixeln auf Streetview oder das Löschen von Suchmaschineneinträgen. Als börsennotierte Unternehmen unterliegen sie einer strengen Aufsicht, stehen und permanenter Aufsicht auch der Öffentlichkeit. Und es spielt schlussendlich der Markt. Der Erfolg von keinem Unternehmen ist ewig garantiert, eine falsche strategische Entscheidung, und das war's. Nokia, anybody? MySpace, anybody?
Und wie steht es mit den staatlichen Datensammel- und Überwachungsaktivitäten? Transparenz und Aufsicht oder (parlamentarische) Kontrolle sind häufig Fehlanzeige. Es fehlt die gesetzliche Grundlage? Kein Problem, dann wird eben ein Gesetz verabschiedet und schon ist alles demokratisch legitimiert - auch wenn die Bevölkerung mehrheitlich dagegen ist, Papa Staat weiss schon was richtig ist. Zum Glück haben wir in der Schweiz das Instrument des Referendums, dass ggf. Korrekturen notwendig werden lässt.
Was passiert, wenn die vierte Gewalt im Staat Aktivitäten, z.B. von Geheimdiensten, publiziert, zeigt das jüngste Beispiel rund um den Blog netzpolitik.org: Journalisten werden wegen Landesverrats vom Verfassungsschutz angezeigt. ZEIT ONLINE dazu klar und deutlich: Landesverrat? Nein, netzpolitik.org schützt die Demokratie. (ergänzt 31.7.2015)
Und noch ein Gedanke zur Vorratsdatenspeicherung: Bürger sagen manchmal, es ist doch der Staat der die Daten sammelt und notabene vertrauenswürdig ist. Nun, bei der Vorratsdatenspeicherung werden Verbindungsdaten unserer digitalen Kommunikation flächendeckend und eben auf Vorrat gespeichert. Und von wem? Von den Telekommunikationsunternehmen. Und die sind notabene in den wenigsten Fällen staatlich. Und selbst wenn: Auch staatliche Infrastrukturen sind nicht sicher vor Hackerangriffen. Faktisch befinden sich also eine sehr grosse Zahl von äussert vertraulichen Daten in den Händen privater Unternehmen.
Nur einige Beispiele:
- Die deutsche Vodafone hat eine englische Muttergesellschaft, die Vodafone Group Plc.
- Salt Mobile SA (ehemals Orange) in der Schweiz ist seit dem 23. 2. 2015 im Besitz des französischen Unternehmers Xavier Niel.
- Sunrise, früher eine Tochter der dänischen TDC A/S, gehörte bis 2015 CVC Capital Partners, einem Private-Equity-Unternehmen (die auch einmal als Heuschrecken bezeichnet wurden) und ist seit Feb. 2015 an der Schweizer Börse notiert.
Und was können wir Bürger tun gegen die Speicherung unserer Daten?
Ein Leben ohne Facebook? Kein Problem! Und Google? Ersetzbar! z.B. gibt es zig Alternativen für die Suchmaschine, oder für Gmail, oder Google Maps, etc. pp. Oder WhatsApp? Auch ersetzbar! Oder... oder... oder...?
Aber was ist, wenn wir nicht wollen dass der Staat unsere Daten sammelt? Alternativen gibt es nicht, bliebe nur der totale Verzicht auf digitale Kommunikation, oder das Abtauchen in den "Freiraum Darknet: [...] in dem uns die Geheimdienste nichts anhaben können" - oder Auswandern (aber wohin?)
(Link zu "Freiraum Darknet ergänzt 25.7.2015)
(Mir ist bewusst, dass einige Formulierungen durchaus polemischen Charakter haben bzw. bewusste Überzeichnungen darstellen)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen