In einer Woche sind die National- und Ständeratswahlen bereits
entschieden. Eine Woche davor – die heisse Schlussphase des Wahlkampfes.
Tatsächlich auch auf allen Kanälen?
Social Media und Politik – das müsste eigentlich eine
Liebesheirat sein! Im Grunde müsste es doch ein Bedürfnis der von uns gewählten
und die uns vertretenden Politiker sein, möglichst regelmässig einen Dialog mit dem
Wahlvolk zu führen. Erst recht gilt dies, so könnte man meinen, für Kandidaten,
die gewählt werden wollen.
Dazu wären auf den Dialog ausgerichtete Social Media
prädestiniert – aber trotzdem ist auch im aktuellen Wahlkampf die Nutzung von
Social Media durch Kandidaten kaum wirklich spürbar.
Zu diesem Thema hatte ich kürzlich Gelegenheit im DRSRegionaljournal Ostschweiz einige Gedanken zu diskutieren (link zur Sendung).
Aber woran liegt es, dass auch im Jahr 2011 Social Media
eher links liegen gelassen und fast, so könnte man den Eindruck haben, als lästig empfunden werden?
Selbst jetzt in der heissen Phase des Wahlkampfes gibt es
Facebookseiten von Kandidaten, die seit Wochen keinen Eintrag erfahren haben
oder Twitter Konten, die eine Hand voll Follower haben – kein Wunder, wenn Null
Tweets verschickt wurden. Und wer Social Media nutzt, versteht sie nur allzu
oft als reinen 1:n Distributionskanal für (vermeintliche) News, aber an einem
echten Dialog scheinen die wenigsten ein Interesse zu haben.
Selbst im stgaller Ständeratswahlkampf, bei dem fünf
Kandidaten sich um zwei Sitze bewerben, führen Social Media mehr oder weniger
einen Dornröschenschlaf.
Selbstverständlich gibt es auch positive Aussnahmen!
Aber woran liegt das nun? Der Versuch eines
Erklärungsansatzes.
Politiker und Kandidaten klagen oft über fehlende
Ressourcen.
Richtig, Social Media zu nutzen benötigt Ressourcen, vor
allem Zeit. Und insbesondere wenn der Umgang mit den sozialen Medien neu und ungewohnt ist,
wird eine gewisse Investition notwendig: Einerseits in die rein handwerkliche
Beherrschung der Medien und ihrer Tools zur Nutzung, andererseits in das
Sammeln von Erfahrung mit deren Umgang. Was wirkt wie?
Auch die klassischen Wahlkampfmedien benötigen Ressourcen:
Zeit, und v.a. Geld, um z.B. Plakate zu drucken oder Luftballons und sonstige
Giveaways zu beschaffen. Diese Art von Kommunikation kennt man, beherrscht man, die
Maschine läuft wie am Schnürchen, die Parteiapparate beherrschen sie.
Und Zeit für Auftritte in Fussgängerzonen haben die Kanditen
auch. Aber wie intensiv und mit wie vielen (potentiellen) Wählern können sie
wirklich bei einem zweistündigen Auftritt auf dem Marktplatz einen (nachhaltigen)
Dialog führen? Social Media stellen hier eine raum- und zeitunabhängige
Plattform für den Dialog zur Verfügung.
Oder liegt es einfach an der menschlichen Trägheit? „So
haben wir’s doch schon immer gemacht“.
Und wir Wähler? Selbst auf gut gemachten Facebookseiten hält
sich die Interaktion in Grenzen. Nicht gerade eine Motivation zur Nachahmung.
Wollen wir etwa gar keinen Dialog mit unseren Politikern und
Kandidaten? Sind wir an inhaltlichen Argumenten nicht interessiert? Reichen uns
die Konterfeis mit mehr oder weniger austauschbarem Lächeln auf den zahllosen Plakaten,
um uns zu überzeugen? Oder steht längst fest, welchen Kandidaten oder Interessensvertreter wir wäheln?
Oder kommen wir einfach (noch) nicht auf die Idee, dass wir
Social Media zum Dialog nutzen können?
Oder liegt es daran, dass wir gar nicht wissen, dass unsere
Kandidaten auch sozial Online sind? In der Tat fehlt in vielen Fällen die
Verknüpfung zwischen Medien: Auf Webseiten fehlt oft der Hinweis auf vorhandene
Social Media – Präsenzen, ebenso auf Offline Materialien, wie z.B. den
Flugblättern, die wir zu Hauf im Briefkasten finden.
Oder sind wir nicht bereit uns mit unserer wahren Identität,
z.B. auf Facebook, uns als Anhänger eines Kandidaten oder einer Partei zu
outen?
Oder sind wir nicht willens, unsere Meinungen und Fragen
‚schriftlich‘ zu formulieren?
Fragen über Fragen auch an uns als Wähler.
Wie eine kreative Social Media Kampagne, die weniger
finanzielle Mittel als vielmehr Kreativität benötigt, (ungeahnten) Erfolg haben
kann, zeigt uns gerade die Gemeinde Obermutten: Das 80-Seelendorf hat nach
seiner Facebook-Aktion mehr Freunde
als die allermeisten Kandidaten im aktuellen Wahlkampf. Und eine entsprechende Berichterstattung - bis
ins koreanische TV - spricht wohl für sich.
Eine systematische Analyse des Verhaltens beider Seiten,
Politiker bzw. Kandidaten und Bürger bzw. Wähler, wäre eine spannende Aufgabe.
2 Kommentare:
das problem ist, dass die meisten politiker nur wenig ahnung haben vom wesen der social media kanaele. es genuegt halt nicht, sich 6 monate vor den wahlen einen fb account zuzulegen. erfahrungsgemaess barucht es (fuer einen anfaenger) solange, um das ganze erstmal zu begreifen. danach muesste ja eine mindestens einjaehrige phase kommen, in der man sich eine community aufbaut.
das beispiel obermatten finde ich eher untauglich. ich empfinde das als kurzfristigen hype, der in der webpraesenz nicht annaehernd mit einem konzept unterlegt ist, das die aktion zu einem umsatzwirksamen erfolg machen koentte. meine prognose: in zwei monaten spricht niemand mehr ueber oermatten.
Ein aktueller Beitrag zum Thema, es gibt auch positive Beispiele: «Dank Facebook und Twitter funktioniert der Dialog wirklich in beide Richtungen»
Kommentar veröffentlichen