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15. März 2009

Politik 2.0 - Freund und Feind der Schweizer Politik auf Facebook

"Politik 2.0" scheint bisher in der Schweiz kaum angekommen zu sein, dagegen spielte die Nutzung von Social Networks und anderen Web 2.0 - Anwendungen beim jüngtsten Wahlkampf in den USA offenbar eine grosse Rolle. Bisher wurde zwar immer wieder über einzelne Beispiele berichtet, wie Politiker und Kandidaten in der Schweiz das Web für ihre Aktivitäten nutzen, systematische Unterschungen gibt es aber kaum.

Michael Herrmann von der Forschungsstelle sotomo (sociotopological modeling) am Geografischen Institut der Universität Zürich hat nun den Versuch unternommen, die Beziehungen von Freund und Feind in der Schweizer Politik auf der Plattform Facebook zu analysieren und sichtbar zu machen. Die Forschungsstelle beschäftigt sich vor allem mit der Untersuchung und Visualisierung der sozialen und politischen Geografie und ihrer Veränderung in der Schweiz. Über die Auswertung sozialer Beziehungen zwischen Parlamentariern berichtet die NZZ vom 14. März 2009 unter dem Titel "In der Politik Feinde – auf Facebook «Freunde» Die Online-Beziehungsnetze von Bundesparlamentariern". Auf den Seiten der Forschungsstelle sind leider keine weiteren Details zur Untersuchung zu finden.

"Bereits 54 Mitglieder des Bundesparlaments sind mittlerweile auf der Internetplattform Facebook präsent. Das populäre soziale Netzwerk bietet Politikern neue Möglichkeiten, Anhänger zu mobilisieren, für eigene Anliegen Werbung zu machen oder auch Rückmeldungen auf Ideen einzuholen – und dies alles kostenlos."
Darunter sind 49 Nationalräte und 5 Ständeräte.

In der Zusammenfassung in der NZZ lernen wird, dass ...

  • die über Sechzigjährigen nur spärlich vertreten sind,
  • die unter Vierzigjährigen zu mehr als zwei Dritteln vertreten sind,
  • dass die Jüngeren 'aktiver' sind (gemessen an Kontakten),
  • dass die Romands überproportional vertreten sind,
  • "nur 14 Prozent der SVP-Parlamentarier, jedoch über 40 Prozent der Sozialdemokraten" auf Facebook aktiv sind und
  • dass die FDP mit 34 Prozent die zweithöchste Quote aufweist,
  • dass Christian Levrat, Präsident der SP, die meisten Kontakte hat, nämlich über 1500 (Stand 15.3.09 abends),
  • "dass soziale Kontakte im Bundesparlament nicht an ideologischen Gräben haltmachen",
  • dass die "Ratslinken zwar auf vielfache Weise mit dem bürgerlichen Lager verknüpft – insbesondere mit der FDP –" verknüpft sind, "jedoch bestehen nur ganz wenige Verbindungen zwischen dem rot-grünen Lager und der SVP",
  • dass "von den 133 möglichen «Freundschaften» zwischen SP und SVP [...] am Stichtag (11. März) nur gerade 3 realisiert" waren, und
  • dass die Netzwerker der Politiker eine unterschiedliche ideologische Färbung aufweisen.
Die Beziehungsgeflechte zwischen den Parlamentarien werden folgendermassen erstellt:
"Soziale Nähe und Distanz lassen sich nicht nur anhand der direkten Kontakte zwischen den Parlamentariern berechnen, sondern ebenso über den Vergleich ihrer «Freundeslisten». [...] Wenn man für alle Parlamentarier paarweise den Grad der Überschneidung ihrer «Freundeskreise» berechnet, kann man eine Art virtuelle soziale Nähe bestimmen (vgl. Grafik). Je näher die Kreise zweier Parlamentarier auf der Karte liegen, desto stärker überschneidet sich ihr «Freundeskreis». Nach dem Motto «Zeige mir deine Freunde, und ich sage dir, wie du denkst» kann dabei ein Zusammenhang zwischen sozialem Netz und politischer Orientierung festgestellt werden. "
Im Interview berichtet dann noch Christian Levrat über seine Facebook Aktivitäten. Demnach investiert er drei bis fünf Minuten in Facebook pro Tag. Lässt sich so wirklich ein Netzwerk von über 1500 Mitgliedern pflegen und aktiv nutzen? Das scheint zweifelhaft. Er nutzt das Netzwerk vor allem für die schnelle Mobilisierung zu aktuellen Themen. Wir erfahren also, wie knapp 25% der Nationalräte und knapp 11% der Ständeräte untereinander vernetzt sind, aber was sie daraus dann machen, wozu sie ihr Netzwerk nutzen, dass wäre natürlich noch wesentlich interessanter zu wissen.


Link zum Originalartikel via ZORA (Zurich Open Repository and Archive)

Quelle der Grafik: NZZ vom 14.3.2009

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