Seiten

14. April 2010

re:publica 2010 - der erste Tag

Wie vermutet wurde der vorher gemachte Zeitplan durcheinander gewirbelt - aber das ist auch gut so!


Die zwei Highlights aus persönlicher Wahrnehmung waren die Vorträge von Jeff Jarvis und  Peter Kruse, auch die Vorträge von Peter Glaser und Evgeny Morozov waren spannend im Zusammenhang mit den Entwicklungen der Informationsgesellschaft. 
Nachdem es bis zu neun parallele Sessions gibt, ist nicht ausgeschlossen, dass ich insbesondere bei den Workshops weitere Highlights verpasst habe. That's re:publica life.






Peter Glaser begrüsste die Anwesenden mit einem liebevollen „Hallo liebe Blogosphäre“. Er setzte sich kritisch mit aktuellen Entwicklungen auseinander und ging u.a. auf die Google Debatte ein und meinte, dass wir uns anstatt Angstdebatten zu entfachen - wie es allenthalben geschieht - uns positiv mit der Entwicklung der digitalen Öffentlichkeit beschäftigen und diese entwickeln. Zum Thema der Allgegenwärtigkeit und von Always On meinte er: „Der Ausschaltknopf muss ein Menschenrecht sein“. Und Facebook bezeichnete er als ein "Referenzsystem für computergestütztes Durcheinander".
Zur Entwicklung bei Geräten und Anwendungen mahnte er, dass wir vermehrt Brückentechnologien entwickeln, welche auch die 90% der Weltbevölkerung erreichen, die mit den heutigen Systemen eben nicht erreicht werden. Und zur aktuellen Debatte rund um den Journalismus stellte er fest, dass Journalismus 2.0 bereits 1995 seine Wurzeln hat, nämlich im IRC (Internet Relay Chat), und er nennt auch ein Beispiel, bei dem die Nachrichten über den Bombenanschlag in Oklahoma 1995 schneller über den IRC als über die Nachrichtenagenturen verbreitet wurde.
Zu Glasers Vortrag gibt es auf seinem Blog Glaserei einen aktuellen Beitrag.
Abschlussfolie von Peter Glaser
Jeff Jarvis (@JeffJarvis) bot eine spannende, unterhaltsame nichtsdestotrotz gehaltvolle Show, die getreu seiner Philosophie mit vielen persönlichen Anekdoten angereichert war. Er zeigt anhand von Beispielen auf wie unterschiedlich die Kulturen z.B. in den USA, Deutschland, den Niederlanden oder in Skandinavien mit dem Thema Privacy umgehen. "What makes private private?" frag er immer wieder und plädiert dafür, sich mit dem (individuellen und gesellschaftlichen) Nutzen von Publicness zu beschäftigen anstelle ausschliesslich mit dem Thema Privacy. Er ergänzt und betont, dass es weniger um Privacy als viel mehr um die Kontrolle über die persönlichen Daten geht. 


Letztendlich sind es gesellschaftliche Regeln, die uns sagen, was privat oder was peinlich ist. Sein Credo: "Publicness and transparency is a value to societies" und ihn irritiert, dass darüber kaum diskutiert wird. Und er sagt: "The public owns what is going on in public", und "the Internet is a public place". Und quasi als Beleg für seinen persönlichen Umgang mit publicness führt er die Diskussion rund um seinen Blogbeitrag zu seiner Prostataoperation an - eigentlich ein NoGo. (Videomitschnitt des Vortrags)


Peter Kruse (@peter_kruse) beschäftigte sich mit den zwei Fragestellungen: 1. Kampf kultureller Welten: Warum polarisiert das Internet die Gesellschaft? und 2. Warum verändert das Internet Wirtschaft und Politik? (Folien zum Vortrag, Videoaufzeichnung)


Kruse moniert zum ersten Punkt die aktuellen unproduktiven Diskussionen im Zusammenhang mit dem Internet und bezieht sich als Motivation vor allem auf eine kürzlich gesendete Diskussionsrunde im ZDF. Er stellt eine neuere Untersuchung vor und zeigt eindrücklich auf, wie zwei Gruppen, die Digital Visitors und die Digital Residents, basierend auf den gleichen Fakten auf vollkommen andere Bewertungen kommen. Diese Bewertungen werden dann in Diskussionsrunden ausgetauscht, was letztendlich zu keinem Ergebnis führen kann. Basis sind die unterschiedlichen Wertemuster der jeweiligen Gruppen. Es besteht ein Faktenkonsens, aber die "Inkompatibilität der Bewertungsebene führt zum kaum auflösbaren Konfliktsituationen", es entsteht so ein "irrationaler Glaubenskrieg". 


Zum zweiten Punkt macht Kruse einen kurzen Auflug in die Systemtheorie und stellt fest, dass aus dieser Perspektive die Veränderungen durch das Internet selbst durch das Abschalten des Internet nicht mehr zu stoppen wären. Insgesamt findet eine Veränderung der Machtverhältnisse im Markt statt, Regeln z.B. in der Kundenkommunikation werden neu geschrieben. Daraus leitet er sogar eine Re-Politisierung der Gesellschaft aufgrund einer Erhöhung des Selbstbewusstseins ab. 



Evgeny Morozov beschäftigt sich mit der Rolle von Information und Informationsmedien in totalitären Regimen. Seine zentraler Botschaft ist, dass die Diskussionen heute zu sehr polarisieren und das Internet lediglich in den Kategorien Gut oder Böse sehen (wollen), was aber den komplexen Realitäten nicht gerecht wird. Ebenfalls stellt er fest, dass aktuelle Diskussionen zu sehr auf kurzfristige Wirkungen fokussieren und viel zu wenig auf die langfristigen.


Presseschau zum ersten Tag der re:publica 2010 


Bildquellen: flickr.com/hdz
(ergänzt 15.4.2010, 11:30)

Keine Kommentare: