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17. April 2011

re:publica XI - ein persönlicher Rückblick

Von der re:publica XI - Die Konferenz über Blogs, soziale Medien und die digitale Gesellschaft -, die in der letzten Woche in Berlin stattfand, wurde schon viel berichtet und geschrieben (Blogschau zur re:publica XI).

An dieser Stelle möchte ich auch meine two cents zur re:publica XI beitragen - ich war zwei Tage, Donnerstag und Freitag, in Berlin.

Bei einer inzwischen so grossen Konferenz ist es immer schwierig, die richtigen und wichtigen Sessions - und das bezieht sich immer auf die persönliche Erwartungshaltung - auszuwählen.
Und als jemand, der seit fast 20 Jahren auf Konferenzen unterwegs ist, weiss ich, dass die Konferenzbeiträge selbst gar nicht das wichtigste sind. Alles in allem, der persönliche Konferenzerfolg ist nicht planbar.

Für mich war die re:publica XI ein Erfolg, so dass ich ziemlich sicher auch 2012 wieder dabei sein werde. Und warum ein Erfolg? U.a. deswegen:


Die Positionierung der re:publica wird wie im letzten Jahr kontrovers diskutiert. Aus meiner Sicht ist sie längst kein (reines) Familientreffen der Bloggerszene mehr. Einerseits sind unter den ca. 3000 Teilnehmern auch eher untypische und nicht-bloggende, aber an den Themen interessierte Menschen zu treffen. Und zum anderen zeigt die Themenvielfalt (Liste der Tracks) deutlich, dass es längst nicht mehr nur ums Bloggen im engeren Sinne geht. In vielen Sessions beschäftigte sich man wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen, die nicht nur die Internet-Interessierten etwas angehen.

Aber in der Tat gab es auch Sessions, in denen man sich eher an einem internen Treffen einer bestimmten Blogger Community wähnte und ein Aussenstehender wohl kaum mehr als Bahnhof verstanden hätte - aber auch das soll und darf es auch geben.

Und es mag durchaus sein, dass durch Beiträge wie die zur Trollforschung oder die Twitterlesung einige verwirrt die Augen reiben ... - aber missen möchte diese Beiträge keinesfalls!

Mich persönlich interessierten u.a. die Beiträge zur sogenannaten Facebook Revoultion.
Im Vortrag von Zahi Alawi erfuhr zumindest ich nicht wirklich etwas neues, ich hatte mir mehr unbekannte Einsichten in die ägyptische Revolution erhofft.
Aber die Botschaft war durchaus eine wichtige: Er machte klar, dass die Social Media eine wichtige Rolle spielten, sie aber letztlich ein Mittel zur Organisation und Kommunikation waren und sind und die Menschen auch ohne Social Media auf die Strasse gehen - ich habe das hier bereits thematisiert.
Und er wiess darauf hin, dass die Revolution letztendlich schon 2004/05 mit kleineren Demonstrationen und Protesten ihren Anfang nahm . nur damals fast unbemerkt von der (westlichen) Öffentlichkeit.
Alawi, selbst Journalist, wies auch darauf hin, dass viele der grossen, traditionellen, internationalen Medien die Social Media als Quelle genutzt haben während der Revolution, sie also auch bzgl. der Berichterstattung eine wichtige Rolle spielten.
Zum Schluss machte er klar, dass die Entwicklung der Demokratie in Ägypten sicher eine Generation benötigt und dass die Menschen im Land selber entscheiden müssen, was richtig für sie ist und keinerlei Einmischung oder gar Bevormundung von aussen nötig haben - dies als Anspielung auf die Aktivitäten des Westens im Irak oder in Afghanistan.

Auch Noha Atef hatte die Facebook Revolution in Ägypten zum Thema. Sie sagte klar: "Social Media are a powerful tool if you know how to use it", "Social Media are media", und: "People are revolting" - damit unterstrich sie die Rolle der Social Media ebenfalls deutlich. Sie betonte auch, dass Social Media vor allem der Dokumentation der Ereignisse dienten und dienen. Und auch sie unterstrich, dass die Revolution wesentlich früher mit Streiks und Protesten begann als oft berichtet wird. Seit der Revolution im Februar 2011 hat sich die Nutzung der Social Media in Ägypten massiv erhöht, auch darauf wies Noha Atef hin. Ihr Beitrag war mit vielen durchaus sehr emotionalen Beispielen gespickt, mit der sie das menschliche Leid während der Revolution besser erfahrbar machen wollte.

Lorenz Lorenz-Meyer diskutierte die Rolle der Social Media am Beispiel des Freiheitskampfes in China. Er zeigt durchaus eindrucksvoll Beispiele auf, wie die Freiheitsaktivisten in China versuchen, die Internet-Zensur zu umgehen - z.B., in dem sie ihre Inhalte auf viele Blogs verteilen, da die Provider unterschiedlich schnell und unterschiedlich streng zensieren und somit eine Chance besteht, dass entsprechende Inhalte wenigstens für eine Zeit Online verfügbar sind. Letztendlich ist es aber ein Katz und Maus - Spiel oder auch Hase und Igel - Rennen - und das mit Gefahr für Leib und Leben!

Patrick Meier zeigte am Beispiel ushahidi.com auf, wie das geographische Mapping von Ereignissen, z.B. während der Revolutionen in Ägypten und Tunesien oder aktuell in Libyen die Geschehnisse im geographischen Kontext sichtbar machen kann. Die Anwendungsbereiche dieser Tools sind aber keinesfalls auf politische Ereignisse oder Naturkatastrophen beschränkt.

Mein persönliches Highlight war der Vortrag von Gunter Dueck: Das Internet als Gesellschaftsbetriebssystem - und mit dieser Meinung stehe ich nicht ganz alleine da, wie z.B. auch Martin Weigert findet.
Der Mathematiker und Philosoph Dueck faszinierte das Publikum mit seiner unterhaltsamen Art, mit der er den grundlegenden Gesellschaftswandel unserer Zeit pointiert aufzeigte. Seine Grundannahme ist, dass heute vieles wie z.B. Wissen durch das Internet quasi wie in einem Betriebssystem der Gesellschaft vorhanden ist. Daraus ergeben sich grundlegende Fragen an unser Ausbildungssystem und notabene an viele Berufsfelder. Und er wandte sich immer wieder ans Publikum: ""Wissen Sie in ihrem Beruf mehr als ein "frisch Gesurfter"?".
Er forderte die Netzgemeinde auf, nicht nur zu jammern, sondern etwas wollen, und zwar nicht nur für das Internet, sondern für alle, Führung übernehmen, zeigen wie's geht.


Und zum Thema jammern erinnere ich mich dann noch an das Panel zur Medienkompetenz im Anschluss an den Vortrag von Dueck. Nach meinem Empfinden wurden durchaus bekannte Defizite moniert, konkrete Auswege wurden aber keine aufgezeigt.

Der Workshop Freiheit vor Ort präsentierte und diskutierte das gerade erschienene Buch "Freiheit vor Ort: Handbuch für kommunale Netzpolitik". Es ist die Fortsetzung der Initiative  “Freie Netze. Freies Wissen.”, die im Jahr 1007 in Linz ihren Anfang nahm; vgl. dazu auch hier und hier im FHS eSociety Blog. Eine wirklich vorbildliche Initiative, die aufzeigt, wie man lokal, vor Ort, konkrete Netzpolitik betreiben und die Informationsgesellschaft entwickeln kann.

Und was noch?
Ein schöner Event war sicher auch die Vorstellung des Buches PR im Social Web während der re:publica XI. Die Idee des Buches entstand an der letztjährigen re:publica, und so war es logisch, auch die re:publica als Bühne zur Buchpräsentation zu nutzen.

Und ansonsten?
Die in Berlin anwesende Schweizer Social Media Community hat sich (mehrheitlich) bereits zuvor via der Facebookgruppe Schweizer (Micro)Blogger an der re:publica 11 organisiert. So wussten ich zumindest, nach welchen der Kollegen aus der Schweiz ich in Berlin Ausschau halten konnte.
Ein grosser Teil der Gruppe hat sich dann auch bei der Bootsfahrt am Freitagnachmittag getroffen.


2 Kommentare:

bisculm hat gesagt…

Herzlichen Dank für deinen persönlichen Einblick, wie du die re:publica XI erlebt hast. Interessanterweise deckt sich dein Fazit mit meinem, obwohl du andere Vorträge besucht hast (vgl. http://bisculm.com/?p=2726)

Anonym hat gesagt…

Ich habe gerade Ihre Web-Seite zu meinen Favoriten. Ich mag deine Beiträge lesen. Vielen Dank!