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1. Dezember 2009

Medientalk: Der heikle Umgang mit Nachrichten für Print und Online

Der "Medientalk: Zur Zukunft der Leitmedien" fand heute zum vierten und letzten Mal statt - und zum ersten Mal war ich persönlich dabei. 
"Die Medientalk-Veranstaltungsreihe von NZZ Campus beschäftigt sich mit dem Globalthema Medien, Markt und Publikum." 
Thema heute war der "heikle Umgang mit Nachrichten für Print und Online". Die Diskussionsteilnehmer waren René Zeller, NZZ-Inlandressortleiter, Tagesleiter, Bindeglied zwischen Online und Print (nach eigener Aussage) und Frank Esser, Professor für  Publizistik- und Kommunkationswissenschaft, IPMZ, Uni Zürich. Moderiert wurde die Diskussion von Michael Baumann, Redaktor NZZ. 


In seinem Eingangsstatement formulierte Zeller drei Fragen bzw. Diskussionspunkte:


1. Braucht eine Zeitung wie die NZZ eine Online Plattform?
Diese sei Fluch und Segen zugleich sagte Zeller: Segen, da man so als Zeitung omnipräsent sein kann, und Fluch, weil man kein oder nur kaum Geld verdienen kann. Da war es also, das zentrale Argument, ca. zwei Minuten nach dem Start der Veranstaltung. 


Zellers klare These lautet in diesem Kontext: Es gibt keinen Weg zurück. Ansonsten wäre der Verlag NZZ in 10 Jahren tot!


2. Das NZZ Modell ist erfolgreich.
Das Modell der NZZ ist ein integriertes, das Print und Online integriert. Zeller erwähnte u.a., dass am letzten (Abstimmungs-) Sonntag ein Allzeithoch bzgl. Klicks auf der NZZ Site zu verzeichnen war.


3. NZZ Online könnte noch erfolgreicher sein, wenn man sich stärker Richtung Boulevard öffnen würde - dass aber wird es nicht geben, journalistische Qualität geht bei der NZZ über page views. 

Esser thematisierte in seinem Statement u.a., dass Journalismus notwendig sei für die demokratische Meinungsbildung der Bevölkerung. Er sagte klar, dass Medienhäuser dem Zwang sich zu ändern unterliegen, dass es neue Akteure wie Blogger und Bürgerjournalisten gibt und dass das Verständnis von Nachrichten viel kollaborativer und partizipativer wird.  


Er machte klar, dass für ihn ein bestimmter Typus von Journalismus aktuell in Gefahr ist, und meinte damit den Qualitätsjournalismus, denn, so Esser, dessen Finanzierung nicht mehr funktioniert. Für Esser geht es deswegen in der aktuellen Diskussion nicht um die Rettung der Medienhäuser - "die können von mir aus den Bach runter gehen" - sondern um die Rettung des Qualitätsjournalismus. Auf heftige Intervention von Zeller relativierte Esser dann später, das er provozieren wollte und er ausser den traditionellen Medienhäusern eigentlich zumindest mittelfristig keinen anderen Retter sieht, denn nur diese können die schlagkräftige Organisation bieten, die der Qualitätsjournalismus benötigt. 


Ebenfalls in der Diskussion sagte Esser dann auch, dass auch grundlegend falsche Verlegerentscheide einen Teil der Medienkrise mit verursacht haben, ohne aber Beispiele zu nennen.


Nach dem anfänglichen Statements und auch von der Diskussion ergab sich der Eindruck einer sehr traditionellen Sicht: Qualitätsjournalismus kann nur im Print erfolgen, Online ist für die schnelle, aktuelle Information gut und richtig, aber mehr eben nicht. Und oft gäbe es bei den Online News Portalen zu geringe Sicherungen zur Vermeidung von Falschmeldungen, es fiel auch der Begriff 'Billigjournalismus'. Der Umkehrschluss, den so freilich niemand formulierte, müsste dann lauten, dass es Online keinen Qualitätsjournalismus geben kann. 


Für einen Wissenschaftler und einen Ressortleiter doch eine sehr verzerrte bzw. selektive Wahrnehmung der Onlienwelt und der Medienrealität und eine fast beängstigede Schwarz-Weiss - Denke. 
Wer hat eigentlich vor kurzem den Hans Bausch Mediapreis erhalten? 


In diesen Duktus passte dann auch die Aussage von Esser, dass die Finanzierung des Qualitätsjournalismus eine gesellschaftliche Frage werden muss und letztendlich jeder einen minimalen Beitrag leisten solle zur Erhaltung des Qualitätsjournalismus. 
"Ich sehe nichts anderes als eine gesellschaftliche Lösung" - 
diese Aussage wird später in der Diskussion abgeschwächt. Auch aus dem Publikum wurden Lösungen wie Stiftungen, Genossenschaften oder Sponsoring vorgbracht. 


Die abschliessende Langfristperspektive von Esser für die NZZ lautete - analog der Prognose für die NYT in Google Epic 2015


"Die NZZ wird es in 20 Jahren noch geben, aber viel teuer sein und eine kleinere Auflage haben, und nur noch von einer Elite gelesen werden."
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Nachtrag 3.12.2009: Beitrag zur Veranstaltung auf bernetblog.ch
Bildquelle: flickr.com / cookieevans5

1 Kommentar:

peter b. hat gesagt…

hi! danke für den ausführlichen post! die info war sehr interessant für mich.